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Nebelflut (German Edition)

Nebelflut (German Edition)

Titel: Nebelflut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine d’Arachart
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nie.«

-68-
    Patrick träumte nicht. Nie. Kein einziges Mal seit jener Nacht, in der Amy verschwand. Und als er jetzt, wie aus dem Nichts, wieder damit anfing, war es wie ein Schock. Bilder jagten durch seinen Kopf, jagten einander und ihn, seinen Geist, oder was auch immer von einem übrig war, wenn man schlief. Er sah den Bärtigen mit dem zerschnittenen Gesicht, sah gequetschtes Fleisch. Sah Grace, ihren besorgten Blick, sah Grace in einem Hotelbett mit Cal, und Tammie, die mit ihrem Stofftier daneben stand.
    »Mister Namara.«
    Aus Tammie wurde Amy, aus dem Hotelzimmer der Wald hinter seinem Elternhaus. Er sah Amy, die in den Wald lief, um nie wieder aufzutauchen, sah die abgesperrte Farm in Brittas, hörte das dumpfe Klatschen eines Torfstechers auf platzendem Fleisch. Wie mochte sich Wahnsinn anhören?
    »Mister Namara, wachen Sie auf!«
    Patrick vernahm einen Knall und realisierte erst einige Sekunden später, dass sein eigener Körper das Geräusch verursacht hatte, als er vom Stuhl gefallen war. Jetzt saß er auf dem Boden des Arbeitszimmers und blickte sich in dem kleinen Raum um, als habe er ihn noch nie zuvor betreten.
    Es war Abend geworden und bis auf das kalte, blaue Leuchten des Monitors völlig dunkel. Die Heizung war noch immer voll aufgedreht, sodass hier drin eine unerträglich trockene Hitze herrschte. Patrick hatte keine Ahnung, wie lange er geschlafen hatte, aber er fühlte sich, als habe sein Albtraum Jahre gedauert. Selbst Sophie, die ziemlich perplex vor ihm stand und durch das Licht hinter ihr zu einer Silhouette wurde, konnte nichts daran ändern, dass ihm die surrealen Traumbilder noch näher waren als die Realität.
    »Sie haben nicht auf mein Klopfen reagiert, da habe ich mir Sorgen gemacht …« Sie klang völlig atemlos. »Dann habe ich versucht, sie zu wecken, aber Sie kamen mir so leblos vor, ich …«
    »Ist schon gut, Sophie.« Es war mehr eine Art Autopilot als er selbst, der diese Worte sagte. Seine Stimme klang heiser und jedes Wort verstärkte die dröhnenden Kopfschmerzen, die sich seit heute Mittag kein Stück gebessert hatten. Er griff nach der Tischplatte und stand auf, was ihn mehr Mühe kostete, als er erwartet hätte.
    »Ist alles in Ordnung mit Ihnen? Brauchen Sie einen Arzt?«
    »Ich brauche gar nichts!« Sophie zuckte zurück und er fügte ein weniger harsches »Danke« hinzu. Dann sagte er nichts mehr, aber Sophie machte dennoch keine Anstalten zu gehen.
    »Ist noch etwas?« Er musterte ihren Umriss. »Was wollten Sie überhaupt hier?«
    »Ich wollte Sie fragen, ob ich vielleicht etwas zum Abendessen kochen soll.«
    »Nein. Danke.«
    Noch immer machte sie keine Anstalten zu gehen. »Da ist noch etwas.«
    Er stützte sich schwer auf der Tischplatte ab und blickte zu Sophie herüber, ohne etwas zu sagen.
    »Ich habe gesehen, dass Sie sich mit diesen Morden beschäftigen und ich finde, dass Sie sich in der letzten Zeit komisch verhalten … Misses Namara ist ausgezogen und die Polizei war hier … Und dann wollte ich Ihr Bett machen und habe diese Waffe gesehen …«
    »Und jetzt denken Sie, dass ich etwas damit zu tun habe? Denken Sie, dass ich dieser gesuchte Mörder bin?«
    »Nein! Ich …« Auch wenn er sie nicht erkannte, hatte er ihr Gesicht vor Augen. Ihre blauen Augen, die vor Schreck groß geworden waren. Als sie weiter sprach, hatte sie die Stimme deutlich gesenkt. »Ich habe keine Angst vor Ihnen.«
    »Aber Sie möchten trotzdem lieber ausziehen, um–«
    »Nein, ich bleibe!«
    Ihre Stimme bebte und ihr ganzes Verhalten irritierte ihn. Vielleicht hatte sie getrunken. Vielleicht war sie auch einfach zu schockiert von ihm, von der Hitze und dem Chaos aus Mord-Artikeln hier drin, von dem Kokain, von all den Eindrücken, denen er sie aussetzte. Er richtete sich auf und begann, oberflächlich Ordnung zu machen. »Also schön. Dann … bestellen Sie sich doch etwas zum Abendessen oder sehen Sie fern oder so.«
    Sophie rührte sich nicht vor der Stelle. Patrick wollte ihr Gesicht erkennen und schaltete die Schreibtischlampe ein. Für den Bruchteil einer Sekunde kniff sie geblendet die Augen zusammen. Er sah, dass sie geschminkt war und ihm fiel auf, dass er sie noch nie so gesehen hatte. Ihre Augen waren dunkel umrandet und ihre Lippen blutrot. Das Haar hing ihr lang und gebürstet über die Schultern. Anstatt der Sweatshirts, die sie sonst zu bevorzugen schien, trug sie ein enges Top. Patrick war bisher nicht aufgefallen, wie hübsch sie war. Anscheinend sah sie

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