Nebelflut (German Edition)
ihm an, was er dachte, denn ihre Wangen wurden rot.
»Tut mir leid, ich ...« Sie trat näher an ihn heran. »Ich wollte Sie nicht verdächtigen.«
Sie stand jetzt so dicht vor ihm, dass er ihr Parfüm hätte riechen können, wenn sie welches getragen hätte. Er erinnerte sich an solche Momente mit Grace. Grace benutzte immer den gleichen Duft, einen dieser Klassiker, irgendetwas Blumiges, Pudriges. Sophie schien nach überhaupt nichts zu riechen, Patrick nahm lediglich einen Hauch von Haarshampoo wahr. Sie sprach nicht weiter und hob langsam das Gesicht.
»Ist schon gut«, hörte er sich selbst sagen.
»Sie sind Arzt. Sie würden nie jemandem absichtlich wehtun.«
»Nein.« Er legte ihr die Hände auf die Wangen, spürte ihre weiche Haut unter seinen Fingern. Fragend, beinahe schüchtern blickte sie ihn an. Er beugte sich zu ihr herunter und küsste sie.
Sophie zögerte einen winzigen Augenblick lang, dann legte sie die Arme um ihn und presste ihren Körper an seinen. Ihm wurde regelrecht schwindelig, als ob sie gemeinsam von einem Hochhausdach stürzten. Sophie zu küssen war falsch und richtig zugleich, es machte ihn vom Betrogenen zum Betrüger.
Er hob sie hoch und trug sie aus dem stickigen Arbeitszimmer zum Ehebett. Dann legte er sie auf die Matratze und richtete sich auf, um seinen Pullover auszuziehen. Dabei trafen sich ihre Blicke und er entdeckte eine Scheu in ihren Augen, die er nicht erwartet hatte. Sie sah erschrocken aus und ihm wurde klar, was er hier eigentlich machte. Sie war das Kindermädchen seiner Tochter und er fiel über sie her. Was wollte er sich eigentlich beweisen?
»Tut mir Leid, Sophie, ich …«
Langsam setzte sie sich auf.
»Ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht habe.«
»… ich auch nicht.« Sie stand auf und richtete ihre Kleider, dann verließ sie fluchtartig das Schlafzimmer. Patrick hörte sie die Treppe herunter hasten und ließ sich auf die Bettkante sinken. Noch immer drehte sich alles in seinem Kopf und Sophies Geschmack fühlte sich komisch und fremd in seinem Mund an. Er schloss die Augen und fuhr sich mit beiden Händen durchs Gesicht. Die Reihe an falschen Entscheidungen, die er in letzter Zeit traf, nahm einfach kein Ende.
-69-
Als Brady an diesem Montagmorgen aufwachte, war er hoch motiviert und hatte neue Hoffnung geschöpft, dass sie endlich vorankommen würden. Sean und er hatten noch bis tief in die Nacht geredet und Listen erstellt, wie sie im Weiteren vorgehen würden. Ihm war die Aufgabe zugefallen, sich um die Auswertung der Zeugenaussagen zu kümmern. Sean würde sich nun seinerseits in Brittas umhören.
Ein Blick auf die Uhr zeigte Brady, dass er noch eine gute Stunde Zeit hatte. Ungewohnt. Normalerweise war er morgens immer auf die letzte Minute fertig. Er duschte ausgiebig, zog sich an und hörte den Anrufbeantworter ab, während er wartete, dass der Kaffee durchlief.
»Hi, kannst du mich mal zurückrufen? Mein Jüngster ist krank und ich langweile mich zu Tode. Also, melde dich mal und vertreib deiner Schwester die Zeit. Bye bye.«
Brady hoffte, dass sein Neffe nicht ernsthaft erkrankt war und nahm sich vor, sich in Zukunft wieder öfter bei Caitlín zu melden. Eigentlich hatte er sich immer gut mit ihr und seinem älteren Bruder Liam verstanden. Wenn er ehrlich war, dann fehlten ihm die gemeinsamen Treffen mit den beiden. Doch nach seiner Ausbildung in Templemore war seine Zeit immer knapper geworden und mittlerweile war es schon soweit, dass er seine Geschwister nur noch auf Geburtstagen und an Feiertagen sah. Er speicherte sich eine kurze Erinnerung im Handy ein und hörte die nächste Nachricht ab.
» Hallo Brady, hier ist Chloe. Dein Handy ist leider aus und … Naja, ich wollte dich eigentlich fragen, ob du in den nächsten Tagen Zeit hast. Ruf mich einfach zurück, ich habe mein Handy den ganzen Abend an. Bis dann.«
Die Anzeige des Anrufbeantworters zeigte, dass der Anruf gestern Abend gekommen war, während er mit Sean im Tallaght Hospital gesessen und um Toby gebangt hatte. Die Erinnerung an den Jungen traf ihn schmerzlich. Er nahm sich vor, in der Mittagspause nicht nur Caitlín und Chloe, sondern auch das Krankenhaus anzurufen. Vielleicht würde man dort gute Neuigkeiten für ihn haben.
Die Zeit im Büro wollte einfach nicht vergehen. Sean hatte ihm geraten, die Masse an Informationen, die sie bereits gesammelt hatten, nach ihrer Dringlichkeit zu sortieren, um nicht den Überblick zu verlieren.
Gegen Mittag war er froh,
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