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Nebelflut (German Edition)

Nebelflut (German Edition)

Titel: Nebelflut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine d’Arachart
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einander noch frohe Weihnachten, dann schloss sich eine Haustür nach der anderen. Patrick atmete auf, auch wenn sein Verhalten den anderen vermutlich den einzigen spannenden Moment des Tages oder gar des restlichen Jahres verdorben hatte.
    »Wo bleiben denn die Cops?« Jack lief ungeduldig auf und ab.
    »Die Cops? Du siehst zu viele amerikanische Filme, Dad.« Genau wie sein Vater bemühte sich Patrick um einen beiläufigen Ton, auch wenn Jack der vergangene Tag sichtlich in den Knochen steckte. Seine Augen waren gerötet und sein Haar stand wirr vom Kopf ab.
    »Heute Abend wird Stirb langsam wiederholt. Bleibt ihr noch?«
    »Damit du mich wieder abfüllst?« Patrick tastete seine Hosentaschen nach Zigaretten ab, doch er fand keine. »Geht leider nicht, ich muss morgen arbeiten.«
    Sein Vater nickte, schwieg und bedachte ihn mit einem besorgten Blick. Patrick wusste, dass er ihn und seine Familie gern öfter hier hätte, doch daraus würde in nächster Zeit nichts werden. Er konnte sich lebhaft vorstellen, was nach Weihnachten in der Praxis los sein würde und er war froh darüber. Der Gedanke an den nahenden Alltag beruhigte ihn fast so zuverlässig wie eine zweite Diazepam.

-7-
    Zuerst hatten sie sich von Sophie, Tammies Kindermädchen, abholen lassen wollen, doch an Weihnachten war sie sicher froh, einmal ihre Ruhe zu haben. Also hatte Patrick ein Taxi gerufen und die Wartezeit genutzt, um alles soweit zusammenzupacken. Er konnte es kaum erwarten, Glencullen zu verlassen.
    »Hier, Daddy!« Tammie hielt ihm eine Tupperdose mit etwas Undefinierbarem darin entgegen.
    »Von Grandma?« Patrick nahm Tammie die Dose ab und sie nickte. Seine Mutter verschanzte sich schon den ganzen Tag in der Küche und räumte dort wie wild die Reste des Essens weg. Sie schien krampfhaft zu versuchen sich abzulenken, aber ihre geröteten Augen sprachen eine eigene Sprache.
    »Daddy? Können wir schaukeln gehen?« Tammie klammerte sich an sein Bein und warf ihm einen flehenden Blick zu.
    Patrick sah auf die halb eingepackte Reisetasche, doch es fiel ihm wie immer schwer, seiner Tochter einen Wunsch abzuschlagen. Sollte Grace sich um den Rest kümmern. »Klar, wieso nicht.« Er bückte sich und warf sich Tammie über die Schulter, die sich lachend unter seinem Griff wand. »Gehen wir schaukeln.«
    Von der winterlichen Kühle waren Tammies Wangen gerötet und sie schien ernsthaft zu versuchen, sich mit der alten Reifenschaukel zu überschlagen. Patrick bremste sie von Zeit zu Zeit aus, schaute ihr zu und verkniff es sich, sich eine Zigarette anzustecken. Irgendwann hörte er Schritte hinter sich im Gras, drehte sich um und entdeckte Grace.
    »Das Taxi ist da.« Sie lächelte, doch ihr Blick war ernst und besorgt.
    »Schon?« Er schaute auf die Uhr, wandte sich dann Tammie zu und hielt die Schaukel an, was sie mit lautstarkem Protest quittierte.
    »Hast du gesehen, wie hoch ich schaukeln kann, Mummy?«
    »Du bist ein echtes Schaukeltalent, mein Schatz.« Grace hob ihre Tochter aus dem Reifen. »Jetzt lauf rein und sag Oma und Opa Tschüss.«
    »Okay.« Die Kleine rannte nach drinnen und Patrick und Grace blickten ihr hinterher. Dann sah Grace zu ihm auf.
    »Ist alles okay?«
    »Klar, alles bestens.«
    »Wirklich?«
    »Was soll die Fragerei, Grace? Es geht mir gut.«
    »Du bist aufgewühlt.«
    »Natürlich bin ich das! Hast du nicht gehört, was Callahan gesagt hat? Sie ist mit ziemlicher Sicherheit tot, verstehst du?«
    Grace atmete tief durch, als sei das hier eine Yogaübung. »Das ist sie aber schon seit neunzehn Jahren.«
    Patrick musste sich beherrschen, um ihr keine Dinge an den Kopf zu werfen, die er später bereuen würde. Was konnte Grace schon über die diffuse Hoffnung wissen, die er seit dem Verschwinden seiner kleinen Schwester immer heimlich mit sich herum getragen hatte? Sie hatte dafür gesorgt, dass er ein halbwegs normales Leben führen konnte und ihn zugleich innerlich ausgehöhlt. Grace mochte Recht haben, vielleicht war gestern Abend tatsächlich nur wahrscheinlicher geworden, was sie ohnehin alle ahnten. Im Moment kam sie ihm allerdings trotzdem einfach nur ignorant vor.
    Patrick schluckte seine verärgerte Antwort herunter. Allein schon wegen Tammie wollte er während der Feiertage keinen Streit vom Zaun brechen, denn im Gegensatz zu Grace hatte die Kleine keine Ahnung von Amys Geschichte und sie hatte auch noch keine Ahnung davon, wie viel Schlechtes es auf der Welt gab. Für sie war immer noch Weihnachten und da

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