Nebelfront - Hinterm Deich Krimi
Teil aus dem zwölften Jahrhundert, die jede für
sich einen Besuch wert ist.
Nicht nur mit diesem Pfund verstand die grüne Halbinsel zu wuchern.
Nachdem Christoph bezahlt und sie das Café verlassen hatten,
hielt es Christoph nicht mehr aus.
»Sag mal, was hast du da vorhin erzählt? Waren das Phantasienamen?«
Der Oberkommissar lachte. »Zum Teil, ja. Fibrose und den Atlasknoten
gibt es nicht. Fibrose ist etwas ganz anderes.«
»Und das andere? Das Lateinische?«
Große Jägers Lachen schwoll noch weiter an. Er hielt sich den Bauch,
und Tränen traten ihm in die Augen. Es dauerte eine Weile, bis er nicht mehr
prustete. » Musculus sphincter ani internus – das
ist der Schließmuskel.«
»Und wenn der hinüber ist«, fiel Christoph ins Lachen ein, »dann
passiert das Dings … Was war das noch gleich?«
»Nicht das, sondern der. Und zwar der Defäkationsreflex . Dieser Reflex steuert die Entleerung. Ich habe also nicht
gelogen, als ich behauptete, das wäre nicht auszuhalten.«
»Und warum ging es dir wieder gut? Du sagtest, die Gameten wären
wieder im Gleichgewicht. Ist das etwas Unanständiges?«
Große Jäger spitzte die Lippen.
»Nö«, sagte er. »Aber wenn die im Gleichgewicht sind, ist alles
okay. Das sind die Keimzellen.«
Jetzt stimmte auch Christoph ein. Es dauerte eine Weile, bis die
beiden Beamten sich wieder beruhigt hatten.
»Ich verstehe immer noch nicht, warum ausgerechnet dieses Grab
geschändet wurde. Lediglich Frau Krempl hätte einen Grund, da ihr der alte
Doktor die Patienten abspenstig gemacht hat. Aber warum? Ausgerechnet seiner
Nachfolgerin? War der Mann Masochist? Und über sein Privatleben wusste auch
keiner etwas. Wenn man fast vierzig Jahre in einer Kleinstadt praktiziert, ist
man bekannt wie ein bunter Hund. Da weiß jeder Mitbürger, wie viele Stücke
Zucker im Tee …«
»Kaffee«, korrigierte ihn Große Jäger. »Ein anständiger Landarzt
trinkt Kaffee.«
»Da weiß jeder, wie viele Stücke Zucker du in dein Getränk
schüttest. Und angeblich weiß niemand etwas über sein Privatleben? Das ist
ebenso mysteriös wie die Nachbarn in Husum. Jahrzehnte hat Dr. Pferdekamp
Holger Kruschnicke in seinem Haus gehabt. Und keiner in Garding kennt ihn.«
»Es könnte sein, dass irgendwo darin das geheimnisvolle Motiv für
diese Tat steckt«, dachte Große Jäger laut nach. »Welchen schwachen Punkt gibt
es in Pferdekamps Vergangenheit? Das sieht alles nicht nach Zufall aus. Warum
ist Kruschnicke, der nie gearbeitet hat, seelisch krank? Hat Pferdekamp etwas
damit zu tun? Gab es noch mehr Leute, die er krank gemacht hat? Was hat er
früher gemacht?«
Schweigend fuhren sie nach Husum zurück.
ZWEI
Auch der neue Morgen hüllte sich in dichten Nebel. Jetzt
begann die Jahreszeit, in der Christoph nur an den Wochenenden die Aussicht aus
dem Fenster über den Osterkoog genießen konnte, der seinen Namen nicht vom
christlichen Fest, sondern von der »östlichen Lage« ableitete. Heute hatte die
»Fernsicht« kaum bis an die Grundstücksgrenze gereicht. Der Rest der Welt war
wie in Watte gepackt verschwunden.
Es schien, als würde der Herbst es dem aktuellen Fall gleichtun.
Auch dort wirkte alles sehr nebulös.
Christoph war froh, auf der Dienststelle keine neue Meldung über
weitere Einbrüche vorzufinden. Die Aufklärung dieser Delikte war eine
undankbare Aufgabe für die Polizei, da es häufig keine verwertbaren Spuren gab
und Ansatzpunkte für eine erfolgreiche Ermittlungsarbeit nur schwer zu finden
waren.
Das traf allerdings auch auf die Grabschändung zu. Sehr weit waren
sie am Vortag bei ihren Bemühungen, Hintergrundinformationen über das Leben und
Wirken des Dr. Pferdekamp in Erfahrung zu bringen, nicht gekommen.
Natürlich war Große Jäger noch nicht anwesend, als Christoph
eintraf. Er bereitete sich einen Darjeeling, warf einen Blick auf die
Kaffeemaschine und entschloss sich, das Gerät gründlich zu reinigen. Dabei
erbarmte er sich auch des Kaffeebechers auf Große Jägers Schreibtisch, der
aussah, als wäre er noch nie mit Spülmittel in Berührung gekommen.
Das aromatische Getränk war lange schon durch die Maschine gelaufen
und erfüllte mit herrlichem Duft den Raum, als der Oberkommissar hereinstürmte,
im Türrahmen stehen blieb, als wäre er gegen eine unsichtbare Wand gelaufen,
und die Nase in die Luft streckte wie ein Reh, das Witterung aufgenommen hatte.
Unwillkürlich musste Christoph lachen, als ihm der Vergleich mit dem
Reh einfiel und sein Blick
Weitere Kostenlose Bücher