Nebelfront - Hinterm Deich Krimi
Aber warum bekommt man das nicht in
den Griff? Immer wieder diese Phasen. Es muss doch möglich sein, ihn davon zu
heilen. Warum machen Sie das nicht, Herr Doktor? Weil wir es uns nicht leisten
können, ihn als Privatpatienten behandeln zu lassen?«
»Ich versichere Ihnen, dass es keinen Unterschied macht, ob jemand
als Privat- oder als Kassenpatient bei uns ist. Hier wird jeder bestmöglich
versorgt.«
»Machen Sie ihn endlich gesund, Herr Doktor. Wenn es jemand verdient
hat, dann Peter. Er leidet so furchtbar unter seinen Depressionen. Dabei ist er
so ein lieber Mensch, der unendlich viel durchgemacht hat.«
»Ich werde Ihre Bitte nicht vergessen«, sagte der Arzt. »Nun müssen
Sie mich entschuldigen, aber ich habe noch andere Termine.« Dabei warf er den
beiden Beamten einen forschenden Blick zu. Der Arzt schien überlegt zu haben,
ob Christoph oder Große Jäger der Patient sei.
»Wir sind von der Husumer Polizei«, löste Christoph das Rätsel auf
und stellte sich und den Oberkommissar vor.
Dr. Heshmat Jamali, wie das Namensschild über der Tasche des
Arztkittels verriet, war Oberarzt. Auch das war dem Schild zu entnehmen.
Dr. Jamali bat die beiden in das schlicht eingerichtete
Arztzimmer und nahm hinter dem weißen Schreibtisch Platz. Die ganze Einrichtung
war weiß gehalten. Weiße Stühle, weiße Schränke, eine weiße Liege. Lediglich
die Bilder an der Wand waren Farbtupfer. Jemand schien über ausgemachten Humor
zu verfügen.
Das erste Bild zeigte einen Arzt hinter dem Schreibtisch, davor
stand ein irritiert aussehender Mann, der sich mit dem Schleppen einer schweren
Standuhr abmühte. Die Sprechblase aus dem Mund des Arztes besagte: »Sie
scheinen missverstanden zu haben, wofür ein Urologe zuständig ist.«
Auf dem zweiten Bild brach ein Mann im Arztkittel unter einem
schweren Sofa zusammen. Die Aufschrift auf der Tür verriet, dass er Psychiater
war. Hier informierte die Sprechblase, dass Herr Doktor »Hausbesuche« machen
wollte.
Christoph zeigte auf die Bilder. »Ist das Ihr Werk?«
Dr. Jamali lächelte. »Warum darf die Medizin sich nicht auch
von der heiteren Seite zeigen? Das meiste, dem wir hier begegnen, ist ernst
genug.« Während er sprach, blitzten die fast schwarzen Augen im glatt rasierten
Gesicht mit dem etwas dunkleren Teint.
»Sie haben heute Holger Kruschnicke als Patienten aufgenommen. Der
Mann lebte seit Jahrzehnten mit dem vor zwei Jahren verstorbenen Arzt Dr. Pferdekamp
zusammen, dessen Grab geschändet wurde. Steht die stationäre Aufnahme von Herrn
Kruschnicke im Zusammenhang mit dieser Tat?«
Dr. Jamali betrachtete seine sorgfältig manikürten Fingernägel.
»Es gab noch keine Gelegenheit, eine Aufnahmeuntersuchung durchzuführen.«
»Herr Kruschnicke ist nicht das erste Mal bei Ihnen in stationärer
Behandlung?«
»Kann sein. Oder auch nicht«, wich der Arzt aus.
»Wir wissen das.«
»Dann brauche ich Ihnen die Frage nicht zu beantworten.«
»Weshalb ist Herr Kruschnicke hier?«
Ein leises Lächeln umspielte die Mundwinkel Dr. Jamalis. »Sie
gehen nicht davon aus, dass ich dazu etwas sage.«
»Es würde uns weiterhelfen«, mischte sich Große Jäger ein.
Der Arzt spitzte die Lippen. »Ich muss Ihnen nichts über die
ärztliche Schweigepflicht erzählen. Sie waren eben selbst Zeuge, wie wir
bedrängt werden. Wenn das Vertrauen in die Verschwiegenheit des Arztes ein
hohes Gut ist, so gilt das in besonderem Maß für eine Einrichtung wie unsere.
Hier ist es noch bedeutsamer, alles vertraulich zu behandeln. Schließlich
behandeln wir hier keine Blinddarmreizungen oder Gallenkoliken.«
»Das ist uns bewusst«, sagte Christoph. »Ein Schwerpunkt der
Fachklinik ist die Behandlung von Suchterkrankungen.«
Dr. Jamali lächelte wieder. »Das ist eine andere Abteilung
unseres Hauses.«
»Also wird Herr Kruschnicke wegen Depressionen behandelt?«
Der Arzt verzog keine Miene. Aus seiner Mimik war nicht erkennbar,
ob Christoph mit seiner Vermutung recht hatte.
»Ist Herr Kruschnicke schon lange in Ihrer Obhut?«
»Ich glaube, das Vertrauen des Patienten nicht zu verletzen, wenn
ich behaupte, dass es ihm gutgetan hätte, wenn er früher zu uns gekommen wäre.«
»Rein hypothetisch«, begann Christoph, »handelt es sich bei den
Krankheitsbildern, die Sie behandeln, um langwierige Erkrankungen.«
»Manchmal ein Leben lang«, bestätigte Dr. Jamali.
»Kann eine solche Erkrankung lange Jahre im Verborgenen blühen, ohne
dass es auffällt?«
»Das ist möglich,
Weitere Kostenlose Bücher