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Nebelgrab (German Edition)

Nebelgrab (German Edition)

Titel: Nebelgrab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Klein
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erleben.
    Rasch zog sie sich an und schlüpfte dann nach draußen, wo sie mit Sophie, die ihr gestern mit einem Zwinkern eine Neuigkeit versprochen hatte, in aller Frühe verabredet war.
    Sophie bog gerade um die Ecke, als Lene den Vorgarten betrat. Sie war nicht allein.
    »Guten Morgen, Lene, darf ich dir jemanden vorstellen?«
    Sophie zerrte einen jungen Mann an der Hand hinter sich her, der sich verstohlen umblickte und Lene dann mit einem scheuen Lächeln begrüßte.
    »Das ist Marek Koscinski!« Sophie sprach mit einem Unterton, den Lene eindeutig als Verliebtheit identifizierte.
    »Guten Morgen«, grüßte sie zurück und fragte ohne Umschweife: »Sind Sie Pole?«
    »Ja, bin ich«, antwortete Marek mit klarem Akzent.
    »Seid ihr verrückt?«, entfuhr es Lene und sie zog beide zum Haus. »Pst! Tante und Onkel schlafen noch.«
    Sie bedeutete Sophie, in den Kohlenkeller zu gehen. Auch das noch! Als hätte sie nicht schon genug Sorgen, da schleppte Sophie auch noch diesen Fremden an! Warum brachte sie ihn zu Lene nach Hause? Wusste sie denn nicht um die Gefahr?
    Sophie war immer wieder für Überraschungen gut. Sie, die Hübsche, Nette, hatte immer schon verlockend auf die Jungen in der Nachbarschaft gewirkt. Sie kokettierte gern und wusste genau um ihre Attraktivität. Das brachte ihr viel Neid unter den Mädchen in der Stadt. Doch auch Sophie war vom Schicksal schon hart getroffen worden. Ohne die Einwirkungen des Krieges hatte sie beide Elternteile verloren. Die Mutter war an Tuberkulose gestorben. Der Vater lebte zwar noch, war aber geistig verwirrt, sodass er von der Realität nichts mehr mitbekam, was manch einer der Nachbarn als Gottes Segen betrachtete.
    Sophie vermochte auf solche Äußerungen keine Antwort zu geben. Zu schrecklich war der Alltag für sie. Wie konnte man ihr gegenüber von Erlösung sprechen? Sie wusste manchmal nicht aus noch ein, wusste nur, dass sie nicht allein durch diese Zeiten gehen wollte. Sophie kümmerte sich sehr um den Vater, bekam auch Hilfe von den Nachbarn, hatte aber keinen Familienangehörigen, der Verantwortung – weder für sie noch für den Vater – übernehmen würde. Ihr Freundeskreis war ihre Familie geworden.
    Lene ging als Letzte und zog den Verschlag hinter sich zu, bevor die beiden anderen das Ende der Treppe erreicht hatten. Im Dämmerlicht übersah Sophie, dass Hubert ihr entgegenkam. Sie stießen zusammen, und Hubert fiel dabei die Tasche aus der Hand. Die Tasche mit dem Adleremblem sprang auf und gleichzeitig schaltete Lene die einzige Glühlampe an der Treppe an. Das Holzkästchen und der Samtbeutel waren zu sehen.
    »Was tust du?«, zischte Lene empört; sie stand noch oben auf der Treppe und gestikulierte wild mit den Händen, um Hubert auf den jungen Fremden vor sich aufmerksam zu machen. Marek, der in seiner schmutzigen Arbeiterhose einen harmlosen, aber dennoch gewitzten Eindruck machte, sah unschuldig von einem zum andern.
    Sophie entfuhr ein: »Ach, herrje!«
    Marek antwortete: »Was machen ihr? Ihr habt Geheimnis? – Ich nicht stören.«
    »Nein, Marek, du störst nicht.« Sophie zog ihn hinunter, vorbei an Hubert, der in Windeseile die Tasche aufhob und wieder schloss.
    Als Hubert an Lene vorbei nach oben ging, fragte Lene leise: »Was tust du?«
    »Du hast doch gesagt, ich soll sie verstecken!«
    »Aber heute? Am Fronleichnamstag? Wo bringst du sie hin?«
    »Sag ich dir später.« Und damit verschwand Hubert aus dem Keller.
    Lene drehte sich ihrer Freundin zu. Sophie stellte ihr mit glühenden Wangen noch einmal den jungen Polen vor.
    »Sophie, tut mir leid, wenn ich mich nicht mit dir freuen kann, aber hast du nicht gehört, was sie mit ihm – mit euch – machen, wenn das herauskommt?«, sagte Lene mit Sorge in der Stimme.
    »Es wird nicht herauskommen, bestimmt nicht. Lene, wir haben uns gesehen, und da war es da! Dieses Gefühl! Das ist so – unbeschreiblich!« Sophie griff schüchtern nach Mareks Hand. Der Blick des jungen Mannes hing an Sophies Lippen.
    »Woher kennt ihr euch?«, fragte Lene.
    »Vom Bauernhof in Süchteln-Hagen. Martha hat mich neulich mitgenommen. Ich konnte ein paar Stunden dort arbeiten, und da war er.« Sie sah Marek an.
    Lene seufzte. »Es ist zu gefährlich. Ihr bringt alle in Gefahr, wenn ihr zusammen gesehen werdet. Und anfassen solltet ihr euch gar nicht!«
    Marek zog schuldbewusst seine Hand zurück.
    »Wie hast du überhaupt den Hof verlassen können, Marek?«
    Sophie antwortete statt seiner: »Wegen der

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