Nebelgrab (German Edition)
konnte nicht mehr lange dauern, bis er der Polizei den entscheidenden Hinweis geben könnte. Dann wäre er der Top-Journalist der Region. Ja, das war ein guter Gedanke! Und die neue Wohnung der Eltern würde ihn für ein paar Tage aushalten; auch ohne Gästezimmer.
Er blickte Elke Fabian an. Die blonde Frau mit den wirr vom Kopf abstehenden Haaren hatte sein Mienenspiel interessiert beobachtet.
»Sie haben eine Fährte aufgenommen, richtig?«, fragte sie mit lauerndem Unterton. »Und Sie brauchen Unterstützung, weil Sie alleine nicht weiterkommen, auch richtig? Und jetzt überlegen Sie, ob ich als Kontakt in der Sache zu gebrauchen bin.« Sie lächelte vorsichtig.
Adrian lächelte zurück. »Treffer!«
»Kommen Sie mit in mein Büro.«
Adrian wusste nicht, warum, aber er traute Elke. Sie schien ein aufrichtiger Charakter zu sein; außerdem war sie attraktiv, vielleicht ein bisschen zu rund an den Hüften, aber durchaus nett anzusehen. Beschämt gestand er sich ein, dass sie ein besserer Mensch zu sein schien als er selbst.
Als sie ihm von Freitagabend erzählte, meinte er bei ihr eine Art Erleichterung zu spüren, jemandem von der letzten Stunde in Marthas Leben berichten zu können. Immerhin war es möglich, dass sie sich einen Teil der Schuld an Marthas Tod zuschrieb. Sie hatte seine Tante schließlich als Letzte gesehen. Wie auch immer, in ihr hatte er einen verlässlichen Partner gefunden, und sie kannte sich in der Süchtelner Geschichte gut aus, besser als er jedenfalls, wie er rasch bemerkte. Er hatte nur sehr vage von den Fundstücken der jetzigen Senioren erzählt, als es nur so aus ihr heraussprudelte.
»Ich habe einen Freund hier in Süchteln, der übrigens eine ganz hervorragende Website über die Stadt erstellt hat, auf der Sie eine Menge nachlesen können.«
Adrian nickte. »Ich habe die Berichte zur alten Linde gefunden.«
»Richtig, und zum Leben der heiligen Irmgard steht dort auch eine Menge. Zum Beispiel soll sie als Dank für die mitgebrachte Märtyrererde, die sie vom Grab der Heiligen Ursula aus Köln nach Rom gebracht hat, einen Schädel des Papstes Silvester bekommen haben.«
Adrian horchte auf. Schädel als Dank? »Wer hat ihr den Kopf geschenkt?«
»Das war auch ein Papst Silvester, nämlich der III. Und der Schädel soll der des ersten Silvester gewesen sein.«
»Ich habe gehört, dass sie dreimal nach Rom gepilgert sein soll, stimmt das?«
»Genau, und zwar von Köln aus, wo sie angeblich eine Art Krankenhaus für Arme errichtet hat.«
»Und was sagt die Geschichte über ein Pektoral?« »Ein Pektoral? Darüber weiß ich nichts.«
»Und ein Fischerring?«
»Sie meinen den Ring eines Papstes?«
Adrian nickte und Elke zog als Antwort die Schultern hoch. Dann schaute sie ihn mit schief gelegtem Kopf an. »Wieso fragen Sie danach?«
Adrian überging die Frage. »Was hat es mit der Ehelosigkeit der Irmgard auf sich?«
»Man erzählte sich, sie habe immer allein und als Jungfer gelebt. Wenn Männer sie im Wald aufsuchen wollten, hat sie sich angeblich in der alten Linde versteckt. Sie soll immer keusch und sehr fromm gelebt haben und hat alle Güter, die sie besaß, der Kirche vermacht. Als ehemals reiche Tochter eines Grafen hatte sie viele Ländereien geerbt, die allesamt an die Kirche Sankt Pantaleon in Köln gefallen sind, weil dort ihr Bruder Abt war.«
Adrian sah Elke erstaunt an. »Sie wissen aber eine Menge darüber. Sind Sie auch aus Süchteln?«
»Nein, ich habe mich mit einigen Senioren sehr intensiv mit der Legende beschäftigt. Wir haben eine Ausstellung gemacht, die sogar im Weberhaus gezeigt wurde.«
»Meine Tante war dabei?«
»Oh, ja, sie war eine der Fleißigsten. Voller Ehrfurcht war sie; sie hat zwischendurch immer wieder gebetet. Und wenn jemand am Leben der Stadtheiligen gezweifelt hat, hat sie ihn beschimpft und wollte ihn am liebsten aus der Gruppe vertreiben.«
»Hat sie selber nie Zweifel an der Legende geäußert?«
»Nein, um Gottes Willen! Sie hat die heilige Irmgard verteidigt, als wäre sie ihre Beschützerin.«
»Haben Sie herausgefunden, warum die Kirche Irmgard nie heiliggesprochen hat?«
»Nein, das haben wir nicht. Wir haben allerdings auch nicht danach gefragt. Für die Leute hier im Ort ist sie heilig – das ist das Wichtigste. Und dass ihre Gebeine in einer so bedeutenden Kirche wie dem Kölner Dom liegen, macht die Menschen stolz, obwohl sie natürlich das Grab lieber hier hätten.«
»Das heißt, wenn es etwas
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