Nebelgrab (German Edition)
geschrieben. Mit Computern wollte er sich nicht auseinandersetzen. Er sei zu alt, das überlasse er lieber den jungen Leuten, hat er immer gesagt.«
»Das heißt, von seinem Buch gibt es keine Datei, sondern nur das Original, das er getippt hat?«
»Ich fürchte ja, junger Mann. Dabei hätte er es so einfach haben können, nicht? Aber er verließ sich lieber auf die Dinge, die ihm geläufig waren.« »Wissen Sie, ob er drüben im Altenheim mal zu Besuch war?«
»Ja, er war einige Male dort. Ich glaube, da lebt die Dame seines Herzens, aber ich weiß es nicht.« Sie hob abwehrend die Hände, so als habe sie gar nichts gesagt. »Er verstand sich mit der Heimleiterin auch recht gut. Die beiden haben sich fast angefreundet, aber natürlich ohne Hintergedanken!« Und erneut hob sie die Hände und lächelte.
Adrian erstaunte diese Aussage sehr. »Sie meinen, mit dieser Frau Lorenz war er befreundet?«
»Na ja, befreundet ist vielleicht ein bisschen viel gesagt, die Frau ist ja noch nicht lange hier im Dienst. Jedenfalls kannten sie sich. Ich glaube, zum ersten Mal gesprochen haben sie sich, als diese Ausstellung über die heilige Irmgard im Weberhaus war. Das hat den Professor sehr interessiert.«
»Wissen Sie auch, ob der Professor kurz vor seinem Tod noch Briefe weggebracht hat?«
»Nanu? Alle Welt fragt mich nach Briefen – scheint ja wichtig zu sein.«
Adrian horchte auf. »Wieso?«
Ein wenig scheinheilig war ihm zumute, wusste er doch von der Anfrage Herrn Heckers mit seinem Sohn.
»Ja, sein bester Freund hat auch nach Post gefragt. Angeblich wollte der Herr Professor ihm etwas zuschicken. Na ja, ich weiß nicht, ob er es gemacht hat – da wäre allerdings noch der Brief an den Herrn Hubert Becker, Gott hab ihn selig.« Sie bekreuzigte sich schnell. »Ist ja merkwürdig, dass auch der Herr Becker ermordet wurde, nicht wahr?«
Adrians Fuß wippte seit einigen Sekunden auf und ab. »Was meinten Sie eben mit dem Brief an Hubert Becker?«
»Der Professor trug mir auf, ihn beim Einkaufen bei den Beckers einzuwerfen.«
»Und?«
»Ich war nicht einkaufen, die Ereignisse haben sich seit Freitag ja nun doch etwas überschlagen. Der Brief liegt noch nebenan.«
Mit angespannter Miene betrat Arie Joosten den Rosengarten, in dem Adrian frierend auf der ihm schon vertrauten Bank saß.
»Also nochmal: Warum sollte ich Ihnen glauben?«, begann der Pfleger das Gespräch.
»Weil ich von den Guten bin«, antwortete Adrian im Brustton der Überzeugung.
»Und woher wollen Sie wissen, dass auch ich zu den Guten gehöre?«
»Das weiß ich nicht; das sagt mir mein Instinkt.«
»Ts, wenn das mal reicht.« Arie zog einen Mundwinkel und für einen kurzen Moment auch die Augenbrauen hoch.
»Warum waren Sie in der Wohnung meiner Tante?«, fragte Adrian ohne weitere Umschweife.
»Ich sollte dort etwas suchen.«
»In wessen Auftrag?«
Arie sah ihn jetzt unverhohlen spöttisch an: »Was glauben Sie wohl?«
»Ja, ich weiß es nicht; ich würde nicht fragen, wenn es anders wäre.«
»Ihre Tante hatte mich darum gebeten – sind Sie nun zufrieden?«
»Das beruhigt mich wenigstens«, sagte Adrian und grinste, »verraten Sie mir auch, was Sie suchen sollten?«
»Ein Tagebuch.«
»Ein Tagebuch?«
»Warum wiederholen Sie mich?«
»Entschuldigung, aber ich wusste nichts von einem Tagebuch meiner Tante.«
»Sie wussten sowieso nicht viel von Ihrer Tante, wie mir scheint.«
»Aus welcher Zeit stammt das Tagebuch?«
»Das weiß ich doch nicht!« Arie empörte sich und wollte gehen, ihm sei es nun genug.
»Warten Sie, bitte! Ich muss wissen, aus welcher Zeit das Buch stammt; es könnte sehr wichtig sein.« »Ich glaube, aus der Jugend Ihrer Tante.«
»Und haben Sie es gefunden?«
»Nein, irgendjemand hat es wohl aus der Wohnung gestohlen. Ich sollte alle Schränke durchsuchen, weil Ihre Tante sich selber nicht mehr so gut bewegen konnte. Sie wusste nicht mehr, ob sie es verlegt hatte oder ob es tatsächlich verschwunden war, und ich durfte niemandem davon erzählen.«
»Noch nicht mal der Heimleiterin? Muss sie nicht als Erste davon erfahren, wenn etwas wegkommt?«
»Ja, natürlich, eigentlich schon, aber Ihre Tante hat es mir strikt verboten.«
»Aber diese Frau Lorenz hat Sie erwischt.«
»Ja, leider. Und jetzt glaubt sie, ich wäre ein Dieb oder Schlimmeres.«
»Was wissen Sie noch über das Tagebuch?«
»Ich weiß nur, dass Frau Schüttler es gebraucht hat, als Elke, ich meine
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