Nebelgrab (German Edition)
Frau Fabian, diese Ausstellung zur heiligen Irmgard vorbereitet hat.«
»Und wer hat das Buch gesehen?«
»Soviel ich weiß, nur Elke und Frau Lorenz.«
Adrian ging den Kommissaren aus dem Weg und suchte im Erdgeschoss nach Elke, erhielt aber nur die Auskunft, sie habe keinen Dienst. Dann klopfte er am Büro der Heimleiterin. Mit freundlichem Lächeln gab sie seiner Bitte um ein paar Minuten nach.
»Was kann ich für Sie tun, Herr Seemann?«
»Ich würde gerne wissen, wann wir die Hinterlassenschaften meiner Tante ausräumen können.«
»Nun, das wird die Polizei entscheiden. Wenn es nach mir ginge, sofort, um die Renovierung voranzutreiben. Eine leere Wohnung, die ich nicht neu belegen kann, ist nicht gut fürs Geschäft. Ganz zu schweigen von den Schlagzeilen.«
»Hm, da ist eine Sache, die meines Wissens gar nicht in der Wohnung ist. Meine Eltern hätten es gerne, wie Sie sicher verstehen.«
Marie Lorenz sah Adrian gespannt an.
»Es handelt sich um das Tagebuch meiner Tante.« Adrian verfolgte gespannt den Gesichtsausdruck der Frau, der sich nur unwesentlich veränderte.
»Wo soll sich denn das Buch befinden?«
Sie stellte ihren Ellenbogen auf den Schreibtisch und stützte ihr Kinn mit der rechten Hand, während sie Adrian mit scharfem Blick fixierte.
»Das weiß ich nicht; ich hatte auf Ihre Hilfe gehofft.«
»Tja, Herr Seemann, woher soll ich …«
»Meine Tante hatte das Buch für Ihre Ausstellung zur Verfügung gestellt, Sie erinnern sich sicher. Das hat Tante Martha mir jedenfalls erzählt.«
»Ach, die Ausstellung, ja, ja, ist schon so lange her. Nun, da werde ich recherchieren müssen. Vielleicht ist es tatsächlich mit den anderen Werken ins Archiv gewandert. Das kann ich aber nicht heute klären, da müssen Sie mir schon etwas Zeit lassen.«
Marie stand auf, um anzudeuten, dass sie nun weiterarbeiten müsse. Adrian erhob sich ebenfalls und bedankte sich artig für das Gespräch.
Als sich die Bürotür hinter ihm schloss, murmelte er ein »Merkwürdig« vor sich hin.
»Was ist merkwürdig, junger Mann?«
Aus einem der vorderen Büros war die rothaarige ältere Frau getreten, die ihn schon am Morgen mit Arie gesehen hatte.
»Entschuldigung?«, fragte Adrian.
»Meester ist mein Name. Ich fragte, was Sie merkwürdig finden. Sie kommen aus dem Büro meiner Chefin und sagen ›merkwürdig‹, da kann ich ja mal nachfragen.«
»Ach, es ging um den Nachlass meiner Tante.«
»Sie sind der Neffe von Frau Schüttler?« Sie zog ihn rasch in ihr Büro, ohne dass Adrian sich wehren konnte. Er bemerkte einige Kratzer an den Händen der Frau.
»Wissen Sie, was hier merkwürdig ist? Dass Frau Lorenz seit einiger Zeit Besuch von einem Mann bekommt, der überhaupt nichts mit dem Heim zu tun hat.«
»Sie meinen sicher den Professor von der anderen Straßenseite.«
»Wie? Den toten Professor?« Frau Meester blickte verwirrt. »Nein, ich meine einen jungen Mann, der weder Verwandte hier hat noch geschäftlich mit dem Haus zu tun hat.«
Adrian kombinierte blitzschnell. »Lockige Haare und Dreitagebart?«
»Jawohl!« Fast triumphierend klang die Antwort.
»Der ist mir schon aufgefallen«, sagte Adrian und dachte dabei an Professor Hecker und seinen Sohn Guido.
»Warum erzählen Sie mir das?«
Frau Meesters Sicherheit schwand zusehends. Dann sagte sie: »Sie sind doch von der Zeitung, richtig? Und Sie haben sich schon mit Frau Fabian ausführlich unterhalten? – Hier bleibt nichts verborgen.«
Sie lächelte, zuckte mit den Schultern und schob Adrian aus ihrem Büro.
Randvoll mit neuen Eindrücken, Aussagen und Fragen machte sich Adrian auf den Weg nach Düsseldorf, um dem Haus von Professor Hecker einen Besuch abzustatten. Er wusste nicht genau, was er dort wollte, aber sein Gefühl sagte ihm, dass der Professor ein wichtiges Puzzleteilchen in dem Bild war. Von seinem Handy aus meldete er sich bei seinem Dozenten in der Uni krank. Seine Prioritäten waren verändert, und in ihm brodelte neben dem Ehrgeiz, für die Geschichten, die er schrieb, Interesse zu wecken, auch das Bedürfnis, ganz auf die Seite der Guten zu wechseln. Das würde ihm erst gelingen, wenn er den Fall gelöst hatte und sich der Polizei mitteilen konnte.
Das Kalenderbuch des toten Professors verriet ihm die Adresse in Düsseldorf. Der Professor hatte dieses Büchlein mehr als Notizbuch und Adressenspeicher denn als Kalender benutzt. An Terminen offenbarte es dem neugierigen Journalisten nicht viel. Sein eigener Termin war
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