Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nebelgrab (German Edition)

Nebelgrab (German Edition)

Titel: Nebelgrab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Klein
Vom Netzwerk:
die er schon so gut kannte!
    »Nicht mein Kopf!«, jammerte Adrian, bevor ihm endgültig klar wurde, in welch ausweglose Situation er sich gebracht hatte. Wenige Sekunden reichten, um sich als völliger Idiot zu fühlen; weitere Sekunden brauchte er, um seinen Irrtum zu realisieren.
    Wie sehr hatte er sich in Elke getäuscht! Die misstrauische, attraktive, nette Pädagogin aus dem Altenheim – wie konnte er nur so blind gewesen sein! Eingewickelt hatte sie ihn mit ihrem vertraulichen Geflüster. Was hatte sie bezwecken wollen? Warum hatte sie die Polizei auf ihn angesetzt? Wenn sie auf der bösen Seite stand, dann war die einzige Erklärung dafür, dass sie ihn mochte.
    Elke drehte sich vom Fahrersitz zu ihm um, sah ihn mit fast sinnlichem Ausdruck an und sagte nur:
    »Schade.« Ein kleines Lächeln umspielte ihre Lippen, bevor der andere Mann sich auf den Beifahrersitz schwang und sie anherrschte: »Fahr!« Dann wandte er sich Adrian zu und forderte: »Dein Handy! Her damit!«

Und wie geht’s weiter?
    Sie machten sich nicht die Mühe Adrian zu fesseln, zu verstecken oder mundtot zu machen. Er hielt von sich aus still. Seine körperliche Beeinträchtigung war offensichtlich; er stellte keine Gefahr für die Entführer dar.
    Sie fuhren aus dem nächtlichen Viersen hinaus Richtung Oedt. Schon bald befanden sie sich außerhalb des bewohnten Gebietes. Nur hin und wieder sah Adrian ein erleuchtetes Fenster von den versprengten Höfen zwischen den beiden Orten. Ein gutes Stück vor der Ortseinfahrt Oedt bog Elke Fabian, die vom blonden Engel zum dunklen Schrecken mutiert war, auf einen Wirtschaftsweg zwischen Feldern ein.
    Adrian kannte die Gegend gut; auch ohne Brille und mit stärker werdenden Schmerzen erkannte er in der Dunkelheit die Spargelfelder, die wie brachliegende Friedhofsflächen wirkten. Hier war er oft mit Tante Martha gewesen. Sie hatte, als er noch klein war, regelmäßig Gemüse und Salate von den Bauern der Gegend gekauft, später dann auch Spargel.
    Adrian wunderte sich, dass er in jener Situation an Spargel denken konnte. Der Wagen näherte sich einer kleinen Brücke, die über die Niers führte. Elke schaltete die Scheinwerfer aus und verringerte das Tempo. Hinter der Brücke ruckelten sie schließlich über Ackerfurchen bis in einen kleinen Hain.
    Als der Wagen stand, sprangen die beiden Entführer hinaus und zerrten Adrian durch Matsch und über Äste und Laub bis zu einem Bauwagen. In der Farbe der Nacht war der hölzerne Wagen kaum zu erkennen; er duckte sich in den Schatten der Bäume wie ein Kaninchen in die Kuhle. Als sie die Tür öffneten, warf eine kleine Gaslampe ihren sparsamen Schein nach draußen. Die Lampe stand auf einem fleckigen, kleinen Holztisch und war zunächst das einzige, was Adrian erkannte.
    Die kleine Gruppe stolperte in den Wagen; Adrian landete auf dem Boden und bemerkte erschrocken, dass er jemandem auf die Füße gefallen war. Sein Schrecken wuchs rasant, als er realisierte, wer es war: Frau Lorenz saß mit gefesselten Händen vor ihm auf einem Hocker. Offensichtlich hatte sie geweint. Adrian rappelte sich auf, um gleich darauf von dem Mann in eine Ecke gestoßen zu werden. Er sank wieder zu Boden.
    Eine weitere Sitzgelegenheit gab es nicht. Die beiden Fenster des Bauwagens waren von Stofffetzen bedeckt, auf einem Bord oberhalb von Frau Lorenz‹ Kopf stand eine Thermokanne, daneben ein Becher, aus dem Dampf aufstieg. Die Gestalt, die die Tür geöffnet hatte, schloss sie wieder und drehte sich zu den Ankömmlingen um. Elke und der Mann standen Hand in Hand im Rücken von Marie Lorenz. Ein kaltes Grinsen machte sich in Frau Meesters Gesicht breit, als sie bemerkte, dass Adrian sie erkannte. »Da haben wir ja unseren Zeitungsfritzen! Willkommen, Herr Seemann. Sehen Sie, Sie wollten zu mir und ich wollte Sie hier haben; so schnell kann es gehen, dass Wünsche erfüllt werden. Und dass Sie uns die Mühe ersparen, in die Klinik zu kommen, wissen wir sehr zu schätzen.« Ihre Stimme klang süffisant und ihre Lippen wurden etwas schmaler, als sie fortfuhr: »Was wollten Sie denn eigentlich von mir?«
    Adrian rappelte sich etwas auf, fixierte die Frau, so gut es ihm mit seinem zittrigen Blick gelang, und antwortete: »Sie überraschen, ein hübsches Foto schießen, ein Geständnis von Ihnen bekommen und dann die Polizei rufen.«
    »Ach, du süßer Junge, das hast du dir schön ausgedacht. Glaubst du wirklich, das hätte funktioniert? Wie unbedarft doch die Jugend ist, nicht

Weitere Kostenlose Bücher