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Nebelriss

Nebelriss

Titel: Nebelriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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großen Königs Apetha, das dieser aus Praa und anderen Städten herbeigerufen hatte. Apetha hatte den Kriegern verkündet, dass er der Sohn des Sonnengottes sei und von diesem dazu auserkoren, die Welt zu unterwerfen!« Mestor Ulba wies ergriffen auf das Felsentor, dem sie sich immer weiter näherten. »Als sie den Pass von Talanur erreichten, griff unter den Arphatern Furcht um sich. Einer glaubte, in den Steinen des Felsentores die Fratze der Todesgöttin Alunai zu erkennen; ein anderer wollte den klagenden Ruf des Blutvogels über sich vernommen haben. Die Krieger begannen zu zaudern und um ihr Leben zu bangen. Schließlich hielt ihr Zug, und die Anführer traten vor Apetha, um ihn zur Umkehr zu bewegen.«
    Gebannt lauschten Baniter und Lyndolin Sintiguren der Erzählung des Siegelmeisters. Auch Merduk und Gahelin, die neben ihrem Fürsten reitenden ganatischen Ritter, starrten auf das Felsentor, von dem sie nun nur noch wenige hundert Schritt entfernt waren. Es war kleiner, als Baniter es sich vorgestellt hatte; recht schmal, nur halb so breit wie die Straße. Doch der blutrote Stein, der in wohl zehn Schritt Höhe über der Felseneinbuchtung thronte, gab dem Tor ein bedrohliches Aussehen. Es schien, als lauerte er nur auf den rechten Augenblick, um auf den Weg der Pracht herniederzukrachen und jeden unter sich zu begraben, der das Tor durchschreiten wollte.
    »Apetha lauschte den Klagen seiner Kriegsherren, ohne sie zu unterbrechen«, fuhr Mestor Ulba fort. »Doch seine Miene verdüsterte sich mit jedem ihrer Worte. Als sie geendet hatten, zog er seine silberne Peitsche hervor, die er am Gürtel trug. Dann holte er aus und prügelte die feigen Kriegsherren mit Peitschenhieben durch das Felsentor, bis ihre Haut in Fetzen hing; und auch auf die einfachen Krieger drosch er so lange ein, bis sie aus Angst vor seinem Zorn durch das Tor eilten. Es war das einzige und letzte Mal, dass sie ihm zu widersprechen wagten.« Mestor Ulba schüttelte die Faust zum Himmel. »Bald darauf nahmen sie die Stadt Larambroge im Sturm, machten Kyrion dem Erdboden gleich, ließen Nagyra in Flammen aufgehen. Überall, wo Apethas Krieger den Fuß hinsetzten, errangen sie den Sieg, und von Gyr bis Candacar zitterten die Mächtigen bei der Erwähnung seines Namens. Zehn Jahre lang wütete sein Heer, und die Welt wurde eins unter Apethas Herrschaft. Hier, am Tor von Talanur, nahm dieser glorreiche Feldzug seinen Anfang; hier, wo Apetha seine Gefolgsleute mit der Peitsche zwang, das Felsentor zu durchschreiten.«
    »Vermutlich wurde er von seinen Untergebenen noch mehr gehasst als von seinen Feinden«, bemerkte Fürst Baniter. »Gewiss, Apethas erster Eroberungsfeldzug ging in die Geschichte ein. Doch wie wir wissen, nahm sein zweiter einen weniger glücklichen Verlauf - als sich der große Apetha vom erstarkten Heer der Candacarer durch das gesamte palidonische Hochland treiben ließ, bis ihm am Berg Arnos der Atem ausging. Dort erschlugen ihn die Candacarer wie einen räudigen Hund.«
    »Ihr solltet mehr Ehrfurcht vor diesen Legenden zeigen, Fürst Baniter!« In Mestor Ulbas Stimme schwang deutliches Missfallen mit. »Was immer aus Arphat geworden sein mag, es ist ein altes, ehrwürdiges Land, dessen Geschichte uns Respekt abnötigen muss!«
    Baniter schwieg. Er legte keinen Wert darauf, weiter mit dem Siegelmeister zu streiten. Stattdessen starrte er auf das Felsentor. Der Weg der Pracht weitete sich vor dem Passdurchgang zu einem kleinen Platz, gesäumt von einer Mauer, die ihn von dem abfallenden Hang abgrenzte. An den Felsrücken, der die Rückwand des Platzes bildete, schmiegte sich ein turmähnliches Gebäude. Baniter konnte in den Fensteröffnungen mehrere mit Lanzen bewaffnete Wachen ausmachen, die den großen Ejo begrüßten. Der Schechim wechselte einige Worte mit ihnen. Dann gab er seinem Gefolge das Zeichen abzusteigen. Auch Baniter ließ sich vom Sattel seines Pferdes herab. Ein letztes Mal wandte er sich zurück, um die praatische Wüste zu betrachten, die trostlose Weite der Sanddünen und Felsbrocken. Die Sonne, die inzwischen ihren höchsten Stand erreicht hatte, war so heiß und unbarmherzig wie seit Tagen nicht mehr.
    Ein Laut ließ Baniter herumfahren; ein klagender Ruf, vom Wind an sein Ohr getragen. Der Fürst lauschte. Ja, tatsächlich - ein Klagen, ein leises Weinen. Je näher es kam, desto deutlicher war zu erkennen, dass es sich um mehrere Stimmen handelte, verzerrt vom Wind. Die Laute kamen aus der Richtung des

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