Nebelriss
kannte sich bestens in der Geschichte des Südkrieges aus. Die Schlacht bei Nekon war ein Wendepunkt im Kampf des Südbundes gegen die drei Königreiche gewesen. Zwölf Jahre hatte der Krieg bereits getobt; Candacar war daran zerbrochen, die Heere Gyrs und Arphats waren zerschlissen und des Kämpfens müde gewesen. Seit die Inseln des Silbermeeres sich dem Südbund angeschlossen hatten, war dessen Sieg zur Gewissheit geworden. Dann aber hatten Arphat und Gyr ein letztes gemeinsames Heer aufgestellt. Von Siccelda aus waren die Kriegsschiffe zur thokischen Küste gesegelt. In dieser Stunde waren es die Zauberer gewesen, die Thoka gerettet hatten. Die Priester der Bathaquar, eine Sekte der Tathril-Kirche, hatten den Zauber des tödlichen Atems gesprochen. Kaum ein Krieger des arphatischen Heeres war dem giftigen Nebel entkommen, der sich über das Tal von Nekon gelegt hatte.
Kein Sieg, auf den der Südbund stolz sein kann. Doch auch ohne die Hilfe der Bathaquar wäre die Invasion Thokas früher oder später gescheitert. Die Königreiche hatten den Südkrieg längst verloren, als ihr Heer bei Nekon unterging. Wenn Inthara das Gegenteil glaubt, ist dies nichts als die übliche arphatische Selbstüberschätzung.
»Ich bin nicht gekommen, um mit Euch über den Südkrieg zu streiten«, sagte Baniter. »Lasst die Geschichte ruhen! Es sind andere Ereignisse, denen wir uns zuwenden sollten -jener Gefahr, die unsere Länder gleichermaßen bedroht.«
Sie legte den Kopf in den Nacken. »Oh, ich habe nicht vergessen, was Eure Sängerin am Ufer des Nesfer sang. ›Hört ihr denn nicht, überhebliche Narren, die haltlosen Heere vor Dalal'Sarmanch …‹« Ihre Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. »Ein ebenso schönes wie anmaßendes Lied. Man wird es im Volk nachsingen und weiter tragen, bis seine gefährliche Botschaft ganz Arphat durchdrungen hat. War es das, was Ihr erreichen wolltet? Wollt Ihr mein Volk verwirren, verängstigen, aufwiegeln?«
»Die Goldei stehen an Euren Grenzen, und Ihr sorgt Euch um die Wirkung eines Liedes?« Baniter schüttelte den Kopf. »Gyr und Candacar wurden von den Echsen überrannt, und Kathygas König beugte sein Haupt vor ihnen. Arphat wird ihr nächstes Opfer sein.«
»Und? Was kümmert es Euch?« Von einem Augenblick auf den anderen schien Inthara das Interesse an Baniter verloren zu haben. Gelangweilt wanderte ihr Blick an ihm vorbei, verlor sich in der Weite des künstlichen Gartens. »Was kümmert es den Südbund, wie Arphat seine Grenzen verteidigt?«
»Wenn Arphat fällt, werden die Goldei eines Tages auch vor unseren Toren stehen«, sagte Baniter. »Noch wissen wir nicht, wer diese Wesen sind, woher sie kommen und welche Macht sie beseelt. Doch wir werden sie erbittert bekämpfen. Wir werden nicht dulden, dass sie sich in unserer Welt festsetzen und die Herrschaft an sich reißen. Arphat und Sithar müssen dieser Bedrohung gemeinsam entgegentreten!«
Sie brach in lautes Gelächter aus. »An der Seite der einstigen Sklaven sollen wir kämpfen? Welchem Hirn ist dieser Wahnsinn entsprungen?«
Baniter zwang sich zu einem Lächeln. »Ich verstehe … Arphat will also die Goldei aus eigener Kraft schlagen. Arphat mit seiner glorreichen Geschichte, seinem tapferen Heer, seinem kriegerischen Geschick. Gewiss werdet Ihr siegreich sein, wo Gyr und Candacar versagten; gewiss werdet Ihr standhalten, wo andere vergeblich kämpften.«
Inthara ergriff seinen Ellbogen. Ihre Finger waren rau und warm. »Genug davon«, bat sie. »Kommt, Luchs von Ganata; ich will Euch weitere Geheimnisse meines Gartens zeigen; wundersame Pflanzen und Tiere, die Ihr gewiss noch nie gesehen habt.«
Spreche ich mit einer Königin oder einem Kind?
Entschlossen löste sich Baniter aus ihrem Griff. »Allein ist Euer Kampf zum Scheitern verurteilt! Wenn Arphat und Sithar nicht zusammenstehen, sind beide Länder verloren. Gleich, welches Schicksal unsere Völker aneinander band, gleich, welche Kriege wir gegeneinander führten und welcher Hass zwischen uns schwelt - im Angesicht dieser Gefahr müssen wir all dies überwinden. Lasst die Geschichte ruhen, Inthara! Ihr wisst, dass Ihr den Sturm der Goldei nicht ohne unsere Hilfe aufhalten könnt.« Sie drängte sich dicht an ihn heran; schon spürte er ihre Haarspitzen über seine Arme streichen. »Glaubt Ihr allen Ernstes, ich würde Eure Truppen auf arphatisches Gebiet dringen lassen? Eure Krieger unsere Grenzen verteidigen lassen? Es gestatten, dass Eure Priester
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