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Nebelriss

Nebelriss

Titel: Nebelriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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im Sonnenlicht, als sammelte er seine böse Kraft, um zu der fordernden Zunge überzuspringen. Doch dann, mit einer raschen Bewegung, zog sie die Hand zurück und wischte sie an ihrem Gewand ab, um sich wieder auf den Fürsten zu konzentrieren. »Wie schön, dass Ihr zu mir gekommen seid, Luchs von Ganata. Ich habe schon viel von Euch gehört -und eines zumindest ist wahr.« Sie lächelte. »Eure Augen sind tatsächlich zwei grüne Smaragde, so wie An'Chaki sie mir beschrieb.«
    An'Chaki?
Der unbekannte Name verwirrte Baniter für einen Augenblick. Dann erst begriff er. Es
ist der Name des Mädchens aus dem Tempel! Ich habe es tatsächlich versäumt, nach dem Namen des ›Geschenkes‹ zu fragen, mit dem man mir das Warten im Norfes-Tempel versüßte.
»Auch von Euch, meine Königin, habe ich manche Beschreibung gehört«, begann er, »doch wie ich sehe, vermochte kein Bericht, kein Lied Eure Schönheit wiederzugeben.«
Ja, ihr Anblick ist atemberaubend, ich muss es zugeben; und sie ist jung, schrecklich jung; zweiundzwanzig, wenn ich mich recht entsinne.
    »Nicht einmal ein Lied?« Inthara blickte ihm prüfend in die Augen. »Selbst wenn Eure grauhaarige Sängerin es schreiben würde? Sie kann geschickt mit Worten umgehen, das hat sie heute bewiesen.«
    »Ihr habt Lyndolin Sintigurens Lied vernommen?«, rief Baniter mit gespieltem Erstaunen. »Ich wähnte Euch außerhalb der Stadt auf Gazellenjagd.«
    Inthara stieß ein Kichern aus. »Nun, Ihr habt Euch geirrt. Ich war am Ufer des Nesfer, hielt mich jedoch vor Euren Blicken verborgen.« Überheblichkeit schwang in ihrer Stimme mit. »Ich trug die Tracht einer Alunai-Priesterin; deshalb konntet Ihr mich nicht erkennen.«
Was du nicht sagst!
»Ich wusste nicht, dass Ihr eine Geweihte der Alunai seid«, erwiderte Baniter. »Lassen sich denn die strengen Auflagen dieses Ordens erfüllen?«
    »Werdet nicht unverschämt!«, warnte Inthara den Fürsten. »Ihr seid hier nicht am Hof des Südbundes, und ich bin nicht der machtlose Trottel Akendor. Für eine solche Bemerkung kann ich Euch die Zunge herausreißen lassen.« Sie kam ein wenig näher zu ihm heran; ihre Augen funkelten. »Es ist bestimmt eine hübsche Zunge, doch voller Lügen. Ich sollte Euch von ihr befreien, bevor sie Euch Ärger bereitet.«
    Baniters Gesicht nahm einen bestürzten Ausdruck an. »Wirke ich wie jemand, der Ärger bereitet und Lügen erzählt?«
    Die Königin lachte auf. »Ich kenne Eure Geschichte, Luchs von Ganata! Ihr seid der Enkel des berüchtigten Norgon Geneder, jenes ganatischen Fürsten, der vor fünfundzwanzig Jahren versuchte, Kaiser Torsunt zu stürzen und den falschen Thron für sich zu gewinnen.« Sie ließ Baniter nicht aus den Augen. »Während der so genannten Feier zu Vara ließ Euer Großvater drei Angehörige der kaiserlichen Familie ermorden und die engsten Vertrauten Torsunts einkerkern. Sechs Tage lang herrschte Norgon Geneder in Vara; doch der Silberne Kreis, den er auf seiner Seite glaubte, fiel ihm in den Rücken, und so scheiterte sein Verrat! Torsunt schlug ihm mit eigenen Händen den Kopf ab, war es nicht so?«
    Baniter blieb stumm. Er versuchte sich seine Wut nicht anmerken zu lassen.
Was muss ich mir von diesem halben Kind die Geschichte meiner Familie erzählen lassen? Klebt nicht genug Blut an ihren eigenen Händen?
Inthara lächelte ihn herausfordernd an. »Doch wen kümmern schon die Ränke Eures Großvaters? Wen kümmert es, wenn ein Verräter den anderen verrät? Euer Reich wurde von ein paar Krämern errichtet, die sich widerrechtlich zu Fürsten erklärten. Euer Fürstentum, Luchs von Ganata, ist arphatischer Besitz; Ihr beherrscht es ohne jede Legitimation.« Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Und dennoch wagt es ein Fürst des Silbernen Kreises, ein Mitglied des Südbundes, vor mich zu treten! Ist dies Mut oder Unverfrorenheit?«
    Baniter schluckte seinen Zorn herunter. »Mit Verlaub, Königin, Eure Ansprüche auf die sitharischen Gebiete sind heute ohne jeden Belang. Erhebt sie ruhig noch tausend Jahre, doch glaubt nicht, dass Ihr den Silbernen Kreis damit beeindrucken könnt. Arphat hat offenbar seine Niederlage im Südkrieg noch immer nicht verschmerzen können.«
    Ihr Gesicht nahm die hässlichen Züge eines beleidigten Kindes an. »Eure Vorfahren waren nur deshalb siegreich, weil sie sich der Zauberei bedienten. Ohne die Schlacht bei Nekon wäre der Sieg den Königreichen zugefallen.« Baniter lauschte ihr mit wachsendem Staunen. Inthara

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