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Nebelriss

Nebelriss

Titel: Nebelriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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das Wasser gegen die leeren Äste der Eichen, gegen die herabhängenden Zweige der Fichten, gegen die hohlen Stämme der Arkenwurzler. Heulend strich der nahende Sturm über die Baumwipfel, und manch ein Krieger aus Baron Eidroms Heer duckte sich, wenn über ihm knarzend das Holz dem Wind nachzugeben drohte.
    Doch da war mehr als der Sturm zwischen den Bäumen. Da waren die Steine von Ilmora, die sich wie drohende Mauerreste aus dem aufgeweichten Waldboden erhoben, ihre Oberflächen schwarz gefärbt vom Regen. Da waren die Goldei, die zwischen den Steinen verharrten, die goldenen Schwerter fest umschlossen, ihre Kutten und Gewänder in Fetzen. Da waren die notdürftig errichteten Zelte des Barons, halb im Schlamm versunken, die einst weißen Planen dunkel vor Schmutz.
    Baron Eidrom lehnte an einem der Steine, auf dem Haupt ein Lederhelm, den Mantel aus Hirschfell um die Schultern geschlungen. In seinen Händen ruhte das ›Einende‹, das kathygische Reichsschwert, und er war umringt von seinen engsten Vertrauten. Mit einem feinen Lächeln blickte er in die unergründliche Finsternis des Arkwaldes.
    »Ich habe diesen Wald vom ersten Augenblick an gehasst«, sagte er leise. »Es wird Zeit, ihn ein für allemal hinter uns zu lassen.« Er wandte sich seinen Gefolgsleuten zu. »Heute noch wird mein Name voller Verachtung von den Menschen des Rochenlandes ausgesprochen. Morgen aber, um dieselbe Stunde, wird man ihn mit Furcht und Bewunderung in die Nacht flüstern; und wer mir folgt, wird Anteil an meinem Ruhm haben.« Die Männer des Barons wechselten unsichere Blicke. Einer von ihnen, der Hauptmann seines Heers, erhob schließlich das Wort. »Wir folgen Euch, Baron, wohin Ihr auch geht. Doch den Echsen trauen wir nicht.« Er wies auf die Goldei. »Seht sie Euch an! Seit Tagen haben sie sich nicht bewegt. Sie stehen einfach dort und starren auf den Waldboden. Ich sage Euch, Baron, diese Wesen sind …«
    »Diese Wesen sind unsere neuen Herren«, unterbrach Eidrom ihn. »Ihr solltet ihnen ein wenig mehr Respekt zollen. Sie sind es, die uns von diesem verfluchten Ort fortbringen werden.«
    »Ich verstehe nichts von diesen Dingen«, antwortete der Hauptmann. »Seit Tagen versprecht Ihr uns, dass uns die Zauberkunst der Goldei aus dem Arkwald führen wird. Doch noch immer sind wir hier bei Ilmora, und lange ertragen wir die Nähe der Goldei nicht mehr. Viele von uns haben Angst, Baron!«
    »Ihr Feiglinge«, schnaubte Eidrom verächtlich. »Wollt Ihr etwa zu Cercinor überlaufen?«
    »Seine Leute haben unser Lager umzingelt«, warnte der Hauptmann. »Den Weg nach Surgissa hat Cercinor mit Baumstämmen und Fallgruben versperrt. Die Nachhut aus Andelark konnte uns nicht erreichen; es heißt, Cercinor habe sie bis auf den letzten Mann niedergemetzelt. Wir sind hier gefangen, Baron! Unsere Vorräte gehen zur Neige. Der Regen hat das Erdreich in einen Sumpf verwandelt, in dem wir uns kaum bewegen können. Wenn der Unbeugsame angreift, sind wir ihm ausgeliefert.«
    Eidrom riss das Schwert empor, sodass sich die eindrucksvolle Klinge über den Köpfen seiner Männer erhob. »Habt Vertrauen! Ihr habt mein Wort, dass wir diesen Ort in Kürze hinter uns lassen - und wo wir hingehen, kann Cercinor uns nichts mehr anhaben! Er wird …«
    Ein dumpfes Geräusch aus der Ferne ließ ihn innehalten. Ein Krachen war zu hören, begleitet von einem Prasseln, das dem Geräusch von Regentropfen auf einem Eisenschild glich. Eidrom warf seinem Hauptmann einen fragenden Blick zu.
    »Sie haben einen weiteren Baum gefällt, um neue Barrieren gegen uns zu errichten«, sagte der Krieger mit düsterer Miene. »Ilmora soll unser Grab werden, in dem wir zugrunde gehen.«
    Eidrom ließ wütend das Schwert sinken. Dann gab er den Männern ein Zeichen, ihm zu folgen. Entschlossen schritt er in die Richtung, aus der das Geräusch erklungen war. Tief sanken seine Stiefel in das aufgeweichte Erdreich ein. Es kostete ihn große Anstrengung, zu den Wachtposten vorzudringen. An die fünfzig Mann standen an dieser Stelle bereit, um das Lager gegen einen möglichen Angriff zu verteidigen. Sie hatten einen Wall aus Zweigwerk und Baumstämmen errichtet, der Schutz vor den Feinden bieten sollte. »Was ist hier los?«, herrschte Eidrom einen nahe stehenden Wachtposten an. »Lasst ihr euch von diesem dahergelaufenen Haufen Waldbauern an der Nase herumführen?«
    Eilig verbeugte sich der Soldat. Sein Gesicht starrte vor Schmutz, die Haare standen wirr unter dem Helm hervor.

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