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Nebelriss

Nebelriss

Titel: Nebelriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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Rochenländer sie dir füllen werden. Wenn es um die Münze geht, ist es den Menschen gleich, welchem König sie ihre Steuern entrichten. Gewiss, am Anfang werden sie dich lieben, Cercinor, dich verehren als den Helden, der ihnen die Freiheit brachte. Doch mit der Zeit wird ihre Begeisterung dahinschmelzen, und sie werden merken, dass Freiheit ein hohles Wort ist, von dem sich nicht lange zehren lässt. Wen kümmert es wirklich, ob auf den Zinnen von Andelor die kathygische Fahne weht oder eine andere? Bald werden deine Bürger zu murren anfangen; manch einer wird sich nach der guten alten Zeit zurücksehnen, als der König noch Eshandrom hieß und im fernen Larambroge regierte. Dann wirst du den Gehorsam deiner Untertanen ebenso erzwingen müssen wie ich. Nur mit Gewalt lässt sich dauerhaft herrschen - eine bittere Lektion, die jeder lernen muss, der sich zum Anführer berufen fühlt.«
    Cercinors Antwort ließ auf sich warten. Als die Stimme wieder ansetzte, schwang Zorn in ihr mit. »Willst du mit diesem Unsinn von den Verbrechen ablenken, die du im Rochenland begangen hast? Ich werde dich zur Rechenschaft ziehen für die Vertriebenen, Beraubten, Ermordeten! Auch die Goldei werden dich nicht vor meiner Rache bewahren.«
    Eidrom lachte auf. »Dann sei so gut und beeile dich mit deiner Rache. Auf mich warten höhere Aufgaben.« Er wandte sich ab, um von dem Wall herabzusteigen.
    »Du sitzt in der Falle«, schrie Cercinor erbost. »Wenn mein Heer angreift, wirst du sterben! Ergib dich, und ich werde das Leben deiner Männer schonen.«
    Eidrom wandte sich ein letztes Mal um. Aufmerksam blickte er in die Richtung, aus der er Cercinors Stimme vernommen hatte. »Das ist ein schlechter Handel, den du mir vorschlägst. Willst du mein Angebot hören? Zieh mit deinem Heer ab, und ich werde Duane am Leben lassen. Was hältst du davon?«
    »Damit hast du dein Todesurteil gesprochen«, hörte er Cercinors wütende Antwort. »Bereite dich auf unseren Angriff vor.«
    Eidrom zog sich rasch von dem Wall zurück. Er winkte seine Gefolgsleute zu sich. »Wo sind die Rotgeschuppten? Habt ihr sie verständigt, wie ich es euch auftrug?«
    Der Hauptmann schüttelte den Kopf. »Es tut mir Leid, Baron - sie waren nicht ansprechbar.« Er verzog angewidert die Mundwinkel. »Sie nahmen weder mich noch meine Worte wahr, blickten durch mich hindurch, als bestünde ich aus Luft. Und da war noch etwas - wie kann ich es Euch erklären?« Furcht glitzerte in seinen Augen. »Ihre Körper, Baron - sie sahen eigenartig aus. Ich stand direkt vor ihnen, hätte sie berühren können, wenn ich die Hand ausgestreckt hätte. Und doch waren sie - unwirklich. Sie waren da und schienen gleichzeitig verschwunden zu sein. Mir war, als ob ich durch Glas blickte.« Er schüttelte den Kopf. »Ich kann es mir nicht erklären, Baron.«
    »Das Ritual hat begonnen«, sagte Eidrom leise. Er schlug seinen Mantel zurück. »Bring mich zu ihnen, und sorge dafür, dass sich das Heer von den Wällen zurückzieht. Sag allen Männern, dass sie sich um die IlmoraSteine versammeln sollen. Die große Stunde ist gekommen.«
    Drafurs Hauch … nun spürte Laghanos ihn! Er trug ihn, riss ihn mit sich, fügte sich seinem Willen. ALLEIN DURCH SEINEN WILLEN vermochte sich Laghanos über die Welt erheben, sie durchschreiten, sie durchfliegen. Doch nicht er war es, der sich bewegte - der Hauch zog die Welt unter ihm fort, brachte nicht ihn an jeden gewünschten Ort, sondern den Ort zu ihm.
    Und es waren seltsame Orte, seltsamer noch als jener, den Laghanos bei seinem ersten Aufenthalt erblickt hatte. Sie waren anders beschaffen als die Welt, die er kannte. Sie krümmten und bogen, überlagerten und schichteten sich, eröffneten seinen Augen eine neue Art des Sehens. Manche erinnerten an gewöhnliche Ebenen, über die sich ein rubinroter Himmel wölbte. Andere hingegen waren vollkommen bizarr, mit nichts zu vergleichen, das er kannte. In ihnen schien sich der Raum zu wölben; er ließ sich nicht außerhalb des Körpers wahrnehmen, sondern verschmolz mit ihm. Da wurde sein Körper selbst zum Raum, und allein Drafurs Hauch ermöglichte es ihm, sich in diesem absurden Universum zu bewegen. Seine Gestalt war wandelbar geworden, ebenso vielfältig wie die Welt um ihn.
    Und diese Welt war beherrscht von Gestank. Er verfolgte Laghanos, klebrig, bitter und faul. Die Welt der Goldei war durchtränkt von dem üblen Geruch nach Verwesung und Zerfall. Es war der ölige Schlamm, der ihn absonderte;

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