Nebelriss
ihn in seinem privaten Gemach empfing, einem großen, aber schlicht eingerichteten Saal im Nordflügel Thakstels. Die meisten Fürsten hatten ihre Räumlichkeiten in diesem Teil des Palastes, auch wenn sie sich nur während der Ratssitzungen hier aufhielten. Manche Fürsten hatten sich auch Herrenhäuser in der Stadt zugelegt, die einen größeren Luxus als die düstere Trutzburg boten.
Arkon Fhonsa schien auf Luxus wenig Wert zu legen. Abgesehen von ein paar goldbestickten Wandteppichen, auf denen das Symbol des Fürstentums Thoka - der dreifach gebrochene Pfeil - zu sehen war, hatte er auf jeglichen Schmuck und Tand verzichtet. Tisch, Truhen und Bett waren aus schlichtem Holz, der Boden war mit Hirschfellen ausgelegt, und unter der schmalen Fensteröffnung am Ende des Saals befand sich ein Marmortisch, dessen Füße in geschnitzten Löwenköpfen endeten.
An diesem Tisch saßen Arkon Fhonsa und Perjan Lomis, der Fürst von Morthyl. Perjan war ein sechzigjähriger, untersetzter Mann mit kurzen grauen Haaren und einem weißen Backenbart. Er galt neben Scorutar als reichster Fürst des Thronrates. Die Silberminen Morthyls warfen hohe Gewinne ab, und dank Perjans Einfluss im Thronrat würde dies auch in Zukunft so bleiben.
Mit höflichem Lächeln erhoben sich die beiden Fürsten, als Baniter vor ihnen stand.
»Es freut mich, dass Ihr unserer Einladung nachgekommen seid«, sagte Arkon Fhonsa. Er bot Baniter einen Schemel an und bedeutete dem Diener, sich zu entfernen.
Baniter setzte sich. »Eine so seltene Einladung nehme ich gern an. Ich weiß diese Ehre wirklich zu schätzen.« »So, wie Ihr Streitigkeiten im Thronrat schätzt«, fügte Arkon Fhonsa lächelnd hinzu. »Euer Auftritt im Rat war ausgesprochen forsch …«
»… und von Erfolg gekrönt«, antwortete Baniter. »Hätte ich Scorutar nicht widersprochen, wäre sein Erlass zur Abstimmung gekommen. Zweifellos hätte der Silberne Kreis ihm zugestimmt.« Er gab sich Mühe, nicht überheblich zu klingen. »Ich denke, mein Widerspruch war auch in Eurem Interesse.«
»Sicherlich«, sagte Perjan Lomis zögernd. »Aber Ihr habt uns damit in eine schwierige Lage gebracht.« »Diese Lage haben Scorutar und Binhipar verschuldet«, erwiderte Baniter. »Ihr ›Erlass‹ ist nichts weiter als ein Vorwand, um dem Silbernen Kreis zusätzliches Geld für die Flotte und die Ritterschaft der Klippen zu entlocken. Ein guter Schutz für Palidon und Swaaing - aber was hat das Kaiserreich davon?« »Das wissen wir nur zu gut«, erwiderte Arkon Fhonsa. »Wir haben uns lange genug von Scorutar und Binhipar um unsere Rechte betrügen lassen!« Er richtete seinen Zeigefinger wie zur Anklage in die Luft. »Der Handel im Südmeer liegt seit mehreren Kalendern brach. Die Verluste meiner Kontore sind ins Unermessliche gestiegen. Auch das Debakel in Troublinien haben sie zu verantworten; Scorutar war es, der den Troubliniern ihre Unabhängigkeit zusicherte. Das hätte niemals geschehen dürfen.«
Fürst Perjan nickte. »Ich erinnere mich noch gut an den letzten Krieg gegen Arphat, als Scorutar und Binhipar das Heer aus unserer Kasse bezahlten. Wenn wir jetzt gegen die Echsen ziehen, werden die Ausgaben noch höher sein.«
Baniter senkte verschwörerisch die Stimme. »Deshalb ist es an der Zeit, dass der Thronrat wieder seine Pflichten wahrnimmt.«
Die Fürsten blieben stumm. Baniters direkte Worte schienen sie zu erschrecken.
»Scorutars Erlass wird morgen zur Abstimmung gelangen«, fuhr Baniter fort, »gemeinsam mit dem Antrag, den ich dem Kaiser vorlegen werde.« Er beobachtete die beiden Fürsten lauernd.
Ihr würdet nur zu gern wissen, was in diesem Antrag steht, nicht wahr? Nur deshalb habt ihr mich kommen lassen, neugierig und verschlagen, wie ihr seid.
Arkon und Perjan wechselten einen kurzen Blick. Dann zischte Arkon, die diplomatische Maske fallen lassend: »Ihr werdet Verbündete brauchen, Baniter. Euer Name ist im Thronrat nicht von allzu großem Gewicht.«
Gut, dass du mich daran erinnerst, du Heuchler!.
»Weiht uns in Eure Pläne ein«, verlangte Perjan Lomis. »Ihr seid auf unsere Hilfe angewiesen.« Baniter musste sich zusammenreißen, um nicht laut aufzulachen.
Wer benötigt hier wessen Hilfe? Ihr seid es, denen der Erlass Scorutars den größten Schaden zufügen wird. Ich habe bei diesem Spiel wenig zu verlieren.
Doch er beschloss, die Fürsten nicht länger auf die Folter zu spannen. »Wenn Ihr es wünscht, werde ich Euch gern meinen Plan enthüllen. Wir müssen
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