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Nebelriss

Nebelriss

Titel: Nebelriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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hatte.
    Ein dumpfer Knall ertönte. Es war der Schemel Binhipars. Der Fürst von Palidon hatte sich erhoben; seine imposante Gestalt warf einen langen Schatten über die Tafel, unruhig bewegt im flackernden Licht der Öllampen. »Ihr müsst abstimmen, Akendor!« Seine Stimme klang gefährlich ruhig. »Es muss Klarheit herrschen, wie das Oberhaupt unseres Reiches in einer solch umstrittenen Angelegenheit denkt. Ich werde die Entscheidung des Silbernen Kreises nicht akzeptieren, wenn sie ohne Eure Stimme gefällt wird! Und fällt sie weise, Majestät.« Akendor senkte eingeschüchtert den Blick. Dann, mit einer hastigen Bewegung, warf er die Kette auf den Tisch. Mit lautem Klirren prallte sie auf der Tischoberfläche auf.
    Scorutars Schultern entspannten sich. Lächelnd wandte er sich Baniter zu. »Damit, fürchte ich, ist Euer Vorschlag abgelehnt, Fürst Baniter. Sechs Stimmen gegen fünf. Der Kaiser hat entschieden.« Er strich sich voller Stolz die Locken aus dem Gesicht.
    »Ihr irrt Euch!«, rief Akendor mit höhnischer Stimme vom Thron herab. »Entschieden hat lediglich der Fürst von Thax.« Er griff nach der schweren Krone auf seinem Kopf, nahm sie vorsichtig ab und hielt sie mit schweißnassen Fingern empor, ohne Scorutar aus den Augen zu lassen. Seine Augen funkelten voller Spott. »Der Kaiser aber befürwortet den Vorschlag des Fürsten von Ganata.«
    Es herrschte Totenstille im Thronsaal.
    Baniter musste sich beherrschen, um nicht in lautes Gelächter auszubrechen. Hämisch beobachtete er, wie Scorutar und Binhipar sich Blicke zuwarfen.
Sechs Stimmen gegen fünf!
Das ›Gespann‹ hatte verloren!

KAPITEL 6 - Waid
    Niemals zuvor waren sie so tief in den Arkwald vorgedrungen. Zwar waren sie einige Male im nördlichen Rochenland auf Jagd gewesen, doch nie waren sie über Surgissa und Andelark, die großen Waldstädte, hinausgekommen. Der südliche Arkwald, so hieß es, war ein unheimliches, feindseliges Gebiet, in dessen undurchdringlicher Wildnis der Mensch nicht überleben konnte. Wölfe und Geister hausten hier, und wem das Leben lieb war, der mied diesen Ort.
    Dennoch waren sie Cercinor hierher gefolgt. Sie wussten, dass sie sich ihm damit auf Gedeih und Verderben ausgeliefert hatten; denn in diesem Teil des Arkwaldes, wo es keine menschlichen Siedlungen und Pfade mehr gab, lag ihr Leben in seinen Händen.
    Dicht standen die mächtigen Bäume beisammen, die gekrümmten Stämme der Fichten und Tannen, deren düsteres Grün jeden Blick auf den Himmel verwehrte. Vereinzelt waren sie ehrfürchtig zur Seite gewichen, um einer mächtigen Eiche Platz zu schaffen, deren Äste schlangengleich herabhingen und dort, durchwachsen von unentwirrbarem Strauchwerk und Efeuranken, den knorrigen Stamm abschirmten. Brombeeren prangten am Dornengestrüpp, überzogen vom pelzigen Fadengespinst seltener Spinnenarten. Darunter wanden sich Farne und Moose über den brockigen Humus, bedeckt von Laub und abgesprungenen Nadeln. Die Luft war feucht und schwer, durchsetzt von winzigen Mücken und dem Geruch nach Fäulnis und aufgedunsener Erde. Aus den Baumwipfeln hallte das Geschrei der Ammern und Finken; in regelmäßigen Abständen verstummte es, sodass nur noch das Knacken und Knirschen und Krachen berstender Äste zu hören war, ein unheilvolles Geräusch wie von einem prasselnden Feuer.
    »Was schaut Ihr so säuerlich?«, hörten sie die spöttische Stimme Cercinors im Rücken. »Trauert Ihr noch immer um Eure Rüstungen, die wir Euch abgenommen haben? Vermisst Ihr das Gefühl eng anliegenden Eisens auf der Haut? Oder könnt Ihr Euch nicht mit der Landschaft anfreunden?«
    Die zwei kathygischen Ritter blickten sich verärgert nach dem Gesetzlosen um. Cercinor, der nur wenige Schritte hinter ihnen lief, blieb amüsiert stehen. Seine Gefolgsleute drängten sich neugierig an seine Seite, um keines seiner Worte zu verpassen.
    »Nun, wer die Lustgärtchen und Jagdwäldchen Larambroges gewöhnt ist, der mag sich im Arkwald zunächst unwohl fühlen«, fuhr Cercinor fort. »Hier müsst Ihr bedauerlicherweise auf Eure edlen Rösser verzichten und auf Eure sperrigen Schwerter, die sich zu leicht in den Dornbüschen verfangen. Doch glaubt mir, Ihr werdet Euch bald daran gewöhnt haben.«
    »Macht Euch um uns keine Sorgen«, zischte Graman Serffa. Wütend betrachtete er seine Arme und Hände, die von den Dornen blutig gerissen waren. »Wir sind Entbehrungen gewohnt.«
    »Das ist eine Antwort, wie ich sie von einem kathygischen Ritter

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