Nebelriss
der Hut in Oors Caundis. Die Zauberer sind ein eitles, eigensüchtiges Pack. Sie werden dir nicht aus Güte, sondern aus Angst um ihr eigenes Schicksal helfen.« Die Luft in dem Gang war feucht und schwer. Breite Balken stützten die nasse Erde; an vielen Stellen quoll sie zwischen dem angefaulten Holz hervor. Vereinzelt waren die Stützbalken eingebrochen, sodass sie mühsam über die schlammigen Aufhäufungen hinwegsteigen mussten. Immer wieder ragten Wurzelenden aus den Wänden hervor und hakten sich in Peristons Kleidung fest, als wollten sie ihn zurückhalten, ihn davor warnen, den Weg fortzusetzen.
Schwer atmend wankte Periston Aderint, der ehemalige Baron von Locra, dem flackernden Licht hinterher, das Duanes Pechfackel warf. Er musste sich anstrengen, um ihr folgen zu können. Die Räuberin bewegte sich mit katzenartiger Geschwindigkeit durch den Gang, schien jede Abbiegung, jedes Hindernis zu kennen. Sie hatten den Gang durch einen geheimen Eingang außerhalb der Stadt betreten, verborgen unter einem moosbewachsenen Stein. Durch einen steilen Schacht hatten sie sich in die Tiefe herabgelassen. Nun folgten sie dem Gang schon eine ganze Weile, und er schien tatsächlich zur Stadt zurückzuführen.
Immer wieder griff Periston nervös an seinen Gürtel, um sich des Säbels zu vergewissern, den er bei sich trug. Er fühlte sich unwohl in diesem engen Gang. Vor allem aber wollten die bohrenden Fragen in seinem Kopf nicht verstummen: wer diesen Gang erbaut hatte; warum er - wenn er tatsächlich die Wehrmauern der Burg von Surgissa unterlief - so unzureichend geschützt war; und nicht zuletzt, woher Duane ihn kannte. Ihr Schweigen hatte sein Misstrauen geweckt. Er wusste so gut wie nichts über diese Frau. Soweit er es beurteilen konnte, war sie eine Rochenländerin einfacher Herkunft. In ihrem ausgeprägten Hass auf Baron Eidrom übertraf sie selbst Cercinor, und sie war zweifellos eine geübte Kämpferin. In jungen Jahren musste sie ausgesprochen anziehend gewesen sein, doch nun hatten Hass und Verbitterung ihr Gesicht verhärmt. Periston Aderint vermutete insgeheim, dass sie Cercinors Geliebte war, wenn auch bestimmt nicht seine einzige.
Duane war stehen geblieben. Mit einer herrischen Geste befahl sie Periston zurückzubleiben. Jetzt erst bemerkte er die Nische, die rechts in die Wand eingelassen war. Mit klopfendem Herzen beobachtete er, wie Duane den Säbel zückte und um die Ecke sprang. Misstrauisch starrte sie in die Öffnung. Dann ließ sie den Säbel herabsinken. »Du kannst kommen, Baron«, sagte sie, und es war Enttäuschung in ihrer Stimme zu hören. »Es ist niemand hier.«
Periston warf einen Blick in die Nische. Ein Tisch, übersät mit Erdkrumen, die sich von der Decke gelöst hatten; zwei Schemel; ein Trog mit Deckel, der vermutlich als Abtritt diente.
»Manchmal stellt Eidrom Wächter an dieser Stelle auf«, sagte Duane leise. »Doch offenbar hat er seine Krieger an wichtigeren Stellen postiert.«
»An wichtigeren Stellen?«, entfuhr es Periston. »Wie kann Eidrom so leichtsinnig sein und einen Geheimgang, der mitten in die Burg führt, unbewacht lassen?«
»Der Gang führt nur in den äußeren Hof«, erklärte Duane. »Dort sind in der Regel genügend Wachen anwesend, um den Ausgang im Auge zu behalten. Um in die Gebäude der Burg zu gelangen, muss man die inneren Mauern überwinden.« Sie blickte verächtlich in die leere Nische. »Der Gang ist nicht so geheim, wie du glaubst. Es gibt sicher ein Dutzend Menschen in Surgissa, die um ihn wissen.«
»Kennt ihn auch Cercinor?«, fragte Periston misstrauisch.
»Er weiß, dass es ihn gibt«, sagte Duane kurz. »Doch er hat mich niemals gebeten, ihn in die Burg zu führen.« »Cercinor weiß von einem geheimen Gang in die Burg und nutzt dieses Wissen nicht? Das erscheint mir recht merkwürdig!« Periston Aderint sah, dass Duane seinem Blick auswich. »Woher kennt Ihr diesen Gang?« »Das geht dich nichts an«, erwiderte sie.
»Ich muss es wissen!«, rief Periston, und seine Hand wanderte zum Gürtel.
»Kehr um, wenn du mir nicht vertraust«, höhnte Duane. »Ansonsten schweig und folge mir. Es sind nur noch wenige Schritte bis zum Aufstieg.« Sie kehrte in den Gang zurück. Periston Aderint überwand seine Angst und folgte ihr. Doch eine innere Stimme mahnte ihn zur Vorsicht.
Der Gang endete in einer kesseiförmigen Zisterne. Sie war offenbar seit langem nicht mehr in Gebrauch. Erde und Laub bedeckten den geziegelten Grund. Oben schimmerte
Weitere Kostenlose Bücher