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Nebelschleier

Titel: Nebelschleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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wollte. Doch es war, als hätte sie jemand aus ihrem Gleichgewicht gestoßen. Normalerweise liebte sie es, zu schnippeln, zu rühren, zu würzen, zu sehen, wie sich einzelne Zutaten unter ihren Händen zu einer köstlichen Speise verbanden. Sie mochte es, die verschiedenen Düfte einzuatmen und den neu geschaffenen Geschmack zu kosten. Aus ihren Aufenthalten an den verschiedensten Ecken der Welt hatte sie eine Menge exotischer Rezepte mitgebracht und sogar schon darüber nachgedacht, Kurse zu geben oder ein Kochbuch zu schreiben.
    Heute wollte sich die Faszination, die sonst das Kochen auf sie ausübte, einfach nicht einstellen. Natürlich hatte sie damit gerechnet, dass sie die Leute auf den Tod des Alten ansprechen würden. Bea hatte geglaubt, darauf zu reagieren, das wäre für sie die normalste Sache der Welt. Aber als Renate sie eben danach fragte, kamen Bilder und Gefühle hoch, mit denen sie nicht gerechnet hatte. Sie hatte seinen Tod als einen Endpunkt, eine Befreiung gesehen. Doch jetzt, nachdem dieser Punkt erreicht war, nachdem es schließlich geschehen war, fühlte sie sich seltsam angespannt und verkrampft und gleichzeitig fehlte ihr jegliche Energie.
    Bea ging hinüber in den Kursraum, schob eine CD in den Player und legte sich auf eine der Futonmatten. Mit geschlossenen Augen versuchte sie, einen ruhigen, regelmäßigen Atemrhythmus zu finden, und lauschte den exotischen Vogelstimmen, dem Plätschern des Wassers, den Geräuschen eines tropischen Urwaldes, die aus den Boxen drangen. Doch die Gedanken wollten nicht weichen. Immer wieder sah sie das verzerrte Gesicht des Alten vor sich, triumphierend, unversöhnlich, böse. Und sie sah ihre Mutter, oben auf dem Dachboden, an dem Balken ganz hinten in der Ecke, und das kleine Mädchen, das stumm davorstand. Bea lag auf dem Boden und plötzlich begannen Tränen aus ihren Augen zu fließen. Sie konnte nichts dagegen tun, und so ließ sie es einfach zu. So lag sie eine ganze Zeit und spürte, wie sich langsam ihr Körper entspannte. Das Weinen war fast wie eine Befreiung, eine Reinigung.
    Als sie sich wenig später erhob, meinte sie, ihre Mitte wiedergefunden zu haben, und freute sich auf die Arbeit, die sie in der Küche erwartete. Außerdem hatte sie einen Entschluss gefasst: Sie würde sich die tote Hülle des Alten doch noch einmal anzusehen, einfach um sicherzugehen, dass er in Gestalt ihres Vaters niemandem mehr Schaden zufügen konnte.

     
    Pünktlich zum verabredeten Zeitpunkt erreichte Georg Angermüller das Modegeschäft im Steinweg. Von Weitem schon sah er dort seine Mutter stehen, die augenscheinlich ungeduldig auf ihn wartete.
    »Da biste ja endlich! Die Marga will unbedingt, dass du a noch emal guckst!«
    Als er dann das brombeerfarbene Kostüm mit einem schwarzen Kragen und auffälligen, schwarzen Knöpfen, das Marga ihm vorführte, mit seiner Zustimmung abgesegnet hatte und Marga zufrieden lächelnd ihre Einkaufstüte aus dem Laden trug, fragte er die beiden, wohin er sie denn einladen dürfe.
    »Mir ham ke Zeit! Mir müssen noch einkaufen und dann hem. Morchn früh komme doch die Leut zum Gratuliern und da müss mer jetzt alles vorbereiten.«
    Wenigstens zu Kaffee und Kuchen konnte er sie überreden, was Marga sehr freute, denn sie kam wirklich selten einmal in die Stadt, und als sie dann in einem Café am Markt saßen, ließ sie sich auch nichts entgehen und sog das Geschehen um sie herum wie ein Schwamm in sich auf. Auch seine Mutter war mit Schauen beschäftigt und ein Gespräch wollte nicht so recht zustande kommen. Um irgendwas zu sagen, erzählte Georg, dass er den Finks Ottmar vor dem Stadtcafé getroffen hatte, den die beiden auch kannten.
    »Des is a so e Hallodri. Den hab ich scho lang nimmer gsehn«, kommentierte seine Mutter erwartungsgemäß.
    »Mir is der fei erscht vor Kurzem begegnet!«
    Marga schob sich eine weitere Portion ihrer Punschtorte mit der Kuchengabel in den Mund, und Georg, der wissen wollte, wann und wo sie den Ottmar gesehen hatte, musste warten, bis sie wieder sprechen konnte.
    »Des is vielleicht zwei, drei Wochen her, da hab ich ihn zusamme mit dem Steinleins Bernhard gsehn.«
    »Ach, und wo?«
    »Bei uns da oben am Spielplatz halt, wo der Park anfängt. Es war schon ziemlich dunkel. Ich hab Guten Namd gesagt, aber der Ottmar, der hat mich nimmer gekannt. Nu ja, des war ja scho immer so e hochnäsiger Olberboch.«
    »Und was haben die beiden da gemacht?«
    »Der Bernhard saß dort in seim Rollstuhl und der

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