Nebelschleier
Camposano-Konzern zu verkaufen, und es hätte dann schon einer ganzen Mordserie bedurft, um alle Verkaufswilligen im Dorf aus dem Weg zu räumen. Und Johannes war viel zu rational, als dass er seinen Schwiegervater aus einer Gefühlsaufwallung heraus getötet hätte. Das wäre es ihm nicht wert gewesen. Er verachtete den Alten, aber er hasste ihn nicht. Allerdings wäre ein wasserdichtes Alibi natürlich von Vorteil gewesen.
»Mach dir keine Sorgen, Schorsch!«, Johannes knuffte Georg in die Seite, als er dessen sorgenvollen Gesichtsausdruck sah. »Die müssen mir einfach glauben, deine Kollegen.«
»Na, hoffentlich! Sag, was denkst du denn, wer deinen Schwiegervater getötet haben könnte?«
Johannes hob ratlos die Schultern.
»Da gibt’s natürlich einige, die einen Brass auf ihn hatten. Der Walter Hofmann, den er in den Ruin getrieben hat, zum Beispiel. Aber ich glaub, der ist zu alt und klapprig. Dann der Gottlieb, der Sohn von der Familie Schwarz, der ist vor Kurzem hier im Ort wieder aufgetaucht.«
»Das hab ich auch gehört. Was ist das für eine Geschichte? Warum war der im Gefängnis?«
»Der Gottlieb war einer von drei Verdächtigen bei einem Raubmord. Und Bernhards Aussage war die entscheidende: Er sagte, er hätte ihn eindeutig wiedererkannt auf dem Fluchtmotorrad, und hat ihn damit für Jahre in den Knast gebracht. Im Dorf hieß es damals, der Bernhard wollte einen der anderen Verdächtigen schützen, weil er dem wegen irgendwelcher krummen Geschäfte was schuldig war. Und dem Gottlieb, dem schwarzen Schaf mit Namen Schwarz, hat natürlich keiner die Unschuldsbeteuerungen geglaubt.«
»Das kann ich mir gut vorstellen«, nickte Angermüller.
»Aber deswegen jetzt den Bernhard abmurksen?«, Johannes sah zweifelnd seinen Freund an. »Wäre ja irgendwie sinnlos, oder?«
»Welches Verbrechen ist schon sinnvoll?«
»Da hast du auch wieder recht«, stimmte Johannes zu. »Der Bernhard hatte immer zu allen wichtigen Leuten Beziehungen. Hat immer seine Interessen durchgesetzt, mit legalen und illegalen Mitteln ohne Rücksicht auf irgendjemanden. Damit macht man sich halt nicht beliebt.«
Nach einigem Überlegen sagte er: »Tja, seine Töchter hätten natürlich auch alle mindestens einen Grund gehabt. Aber die Rosi, die trauert ja sogar um ihn. Vielleicht ist das so, wenn man auf diese Art seinen Vater verliert, dass sich mit dem Tod alles relativiert. Ich kann’s nicht nachvollziehen.«
»Da gibt es ja noch diese junge Pflegerin, nach der der Bernhard ganz verrückt gewesen sein soll. Sogar eine Testamentsänderung zu ihren Gunsten soll er erwogen haben!«
»Wirklich? Ach weißt du Schorsch, letztlich ist mir das alles eigentlich wurscht, wer es war und warum. Er hat seinen letzten Schnapper getan, wie man hier so sagt, und wenn er beerdigt ist, dann werd ich keinen Gedanken mehr an ihn und seine Bösartigkeiten verschwenden. Ende.«
»Aber für deine Frau ist es ungeheuer wichtig zu wissen, wer es getan hat. Warum auch immer.«
»Warum die Rosi das wissen will, ist doch klar: Sie hat Angst, dass ich den Alten in die Felsengrotte geschubst hab! Vielleicht kannst du ihr ja klarmachen, dass ich es nicht war. Dir als Fachmann glaubt sie ja vielleicht.«
»Ich hab mich bisher nicht so recht getraut, das Thema direkt anzusprechen. Gestern fand ich alles noch zu frisch und wollte sie nicht noch mehr aufregen und heute …«
»Heute«, fiel Johannes ihm ins Wort. »Heute wolltest du dir erst mal selbst Gewissheit verschaffen, ob ich’s nicht doch gewesen sein könnte, nicht wahr?«
»Na ja. Nicht direkt. Es ist nur so«, Georg druckste ein wenig herum, »dass die Kollegin aus Coburg mir Voreingenommenheit unterstellt hat, weil ich euch alle so gut kenne, und das ist schon ein Problem. Natürlich hab ich nie geglaubt, dass du was mit dem Mord zu tun hast.«
»Nicht so schlimm«, Johannes klopfte seinem Freund auf den Arm. »Du bist eben ein durch und durch ehrlicher Bulle – auch dir selbst gegenüber, und das ist doch gut so.«
Johannes stand auf, hob die Arme in die Luft und dehnte sich ausgiebig. Dann griff er nach seinem Hemd.
»Lass uns zum Hof gehen. Ich soll noch bei den Vorbereitungen für das Fest helfen, Getränke schleppen und so. Außerdem wollten wir heut Abend ein großes Lagerfeuer auf der Wiese vorm Café machen und das muss noch aufgeschichtet werden. Meinst du, das ist eine gute Idee? Nach dem Brand gestern?«
Angermüller hatte sich auch erhoben. Er zuckte mit den
Weitere Kostenlose Bücher