Nebelschleier
Ottmar kam mit so eim schicken Cabrio angfahrn. Vielleicht ham die sich da getroffen, ich weiß es net. Jedenfalls sind se dann zusammen in den Park.«
Hatte Ottmar nicht behauptet, er sei schon ewig nicht mehr in der Ecke gewesen? Eigenartig, sehr eigenartig, fand Georg. Ob Paola wusste, dass die beiden sich getroffen hatten? Was hatte Ottmar erzählt, er mache in Immobilien und Vermögensgeschäften? Das war eine sehr interessante Beobachtung, die seine Schwester da gemacht hatte.
»Mensch Marga, was du so alles mitkriegst!«
»Ich bin ja net beklopft!«, stellte seine Schwester schlicht fest und widmete sich wieder der geliebten Punschtorte.
Anschließend erledigte Angermüller mit den beiden Frauen ein paar Einkäufe für die Geburtstagsfeierlichkeiten am nächsten Tag und fuhr sie dann nach Hause. Die einzige Hilfe, die seine Mutter dort noch von ihm erwartete, war, dass er die Möbel im Wohnzimmer für den morgigen Tag umräumte, was er in ein paar Minuten erledigt hatte. Da ihrer Meinung nach Mannsbilder in der Küche nichts zu suchen hatten bis aufs Kloßteigrühren, beschloss er, erst einmal bei Johannes vorbeizuschauen, um all die Fragen zu stellen, die ihm schon so lange im Kopf herumgeisterten.
In der Küche auf dem Sturms-Hof herrschte rege Betriebsamkeit. Nachdem Rosi sich durchgerungen hatte, das Abschiedsfest doch stattfinden zu lassen, hatte sie die jungen Leute um Hilfe gebeten. Sie rechneten mit ungefähr 50 Personen und so war einiges für den Abend vorzubereiten. Lena schälte und schnitt die Kartoffeln für den Salat, Florian und Linus stellten ihre speziellen Dips her, die von Erdnusssoße bis Guacamole, einer südamerikanischen Avocadocreme, reichten, und Hanna wusch Gemüse für eine Rohkostplatte. Es würde ein buntes, reichhaltiges Buffet werden heute Abend. Natürlich wollte man auch Bratwürste braten und Bea und Mahi wollten auch noch einen Teil beisteuern, denn Mahi, der zum Studium nach Berlin zog, war nur zu gern der Aufforderung seines Cousins gefolgt und hatte sich in die Feier mit eingeklinkt.
»Ihr macht mich ja arbeitslos!«
Rosi, die einen orangegelben Hokkaido für eine Kürbissuppe in Stücke schnitt, sah sich fröhlich um.
»Ach Kinder, ich freu mich auf heute Abend!«
»Ich mich auch, wenn ich sehe, was ihr hier für Köstlichkeiten fabriziert!«
Durch die stets offene Tür zum Garten hatte Angermüller die Küche betreten.
»Hallo Schorsch! Willst auch mithelfen? Du siehst, die jungen Leute brauchen uns gar nicht – wir können Kaffee trinken gehen!«
»Grüß dich, Rosi! Ich könnt’ natürlich noch meinen berühmten roten Krautsalat machen, vorausgesetzt, du hast alles im Haus, was dazu nötig ist.«
»Das hört sich gut an, roter Krautsalat! Was bräuchtest du denn dafür?«
Georg Angermüller überlegte kurz.
»Rotkraut, Rosinen, Speck. Das wär das Wichtigste.«
»Ist alles da! Kannst gleich anfangen.«
»Mach ich sofort, aber ich wollt vorher ganz gern mal mit dem Johannes reden. Weißt du, wo der steckt?«
Rosis Fröhlichkeit dämpfte sich schlagartig.
»Wahrscheinlich ist er mit Tobias auf der Weide hinter den Ställen. Da war ein Zaunpfahl morsch, den wollte er auswechseln.«
Gerne hätte Angermüller die Freundin aufgeheitert, ihr versichert, dass Johannes und seine Freunde überhaupt nichts mit den Vorgängen gestern zu tun hatten, doch erst einmal musste er sich selbst Gewissheit verschaffen. Nachdem ihn Sabine Zapf auf seine eigene Befangenheit gestoßen hatte, war er doch verunsichert – trotz seiner innersten Überzeugung, dass Johannes nichts mit dem Tod seines Schwiegervaters zu tun haben konnte.
»O. K., dann stör ich ihn mal ein bisschen bei der Arbeit. Und dann komm ich gleich wieder und mach euch den besten Krautsalat der Welt!«
Angermüller ging über das Hofpflaster und genoss die warme Luft und den wolkenlosen Himmel. Es roch nach Erde, nach Gras, nach Heu, nach den Tieren und nach Mist, als er an den Stallungen vorbeikam – nach Land eben. Es war der typische Geruch, den er aus seiner Kindheit so gut kannte, ja fast ein Stück Heimat. Er sah Johannes und Tobias an einer Ecke am Weidezaun arbeiten. Johannes hatte sein T-Shirt ausgezogen und sein gebräunter Oberkörper glänzte in der Sonne. Angermüller hätte ihn fast als mager bezeichnet, so lang und dünn sah sein Freund aus. Als er näher kam, war zu erkennen, dass Johannes kein Gramm Fett zu viel hatte und nur aus Sehnen und Muskeln zu bestehen schien. Kraftvoll
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