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Nebelschleier

Titel: Nebelschleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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damit?«
    Entgegen ihrer eigenen Bitte, doch möglichst leise zu sein, hob Irina selbst erregt ihre Stimme.
    »Ich sollte einen Vertrag kriegen und doppelt so viel verdienen wie vorher, auch rückwirkend! Über zwei Monate war ich schon da! Das hatte er mir versprochen!«
    »Der Bernhard Steinlein?«
    »Ja, natürlich! Der arme, alte Mann!«, sie sprach plötzlich leise und klagend und tupfte sich dabei eine imaginäre Träne aus dem Augenwinkel. Doch dann kehrte sie zu ihrer vorherigen Lautstärke zurück.
    »Diese alte Kuh will mir nicht geben, was mir zusteht! Die glaubt mir einfach nicht! Aber das lass ich mir nicht gefallen!«
    »Haben Sie denn nichts Schriftliches darüber?«
    Angermüller bemühte sich, seiner Stimme einen mitfühlenden Klang zu geben.
    »Das ist ja das Furchtbare!«, Irina war jetzt ehrlich verzweifelt. »Gestern Nachmittag hatte der Bernhard eine Verabredung mit seinem Anwalt. Er wollte doch auch sein Testament ändern für mich!«
    Die Tränen, die nun in ihren Augen schimmerten, waren wohl echt und galten ohne Zweifel ihrem eigenen Pech. Auf jeden Fall war es, wie Angermüller angenommen hatte: Irina hatte am allerwenigsten Grund, den Alten aus dem Weg zu schaffen, jedenfalls solange sie von seinem Geld profitierte und noch kein Erbe für sie in Aussicht war. Und ihr Freund hatte bestimmt nichts gegen so eine lukrative Beziehung zu einem alten, gelähmten Mann im Rollstuhl.
    »Wissen Sie denn, wie der Anwalt heißt?«
    »Das ist der Herr Fink.«
    »Ah ja«, meinte Angermüller nur und machte innerlich einen Luftsprung. »Und wie hat sich der Herr Steinlein mit dem Anwalt verabredet? Haben Sie das für ihn gemacht? Er konnte doch nicht sprechen.«
    »Mit seinem Handy.«
    »Wie, mit seinem Handy?«, fragte Angermüller verwirrt.
    »Er hatte doch so einen speziellen, kleinen Computer, und den konnte man auch an seinem Rollstuhl anbringen«, erklärte Irina geduldig.
    Angermüller nickte verständig, obwohl er überhaupt nicht wusste, wovon sie sprach. Bei dem kurzen Blick, den er gestern aus der Ferne auf den Rollstuhl werfen konnte, war ihm nichts Derartiges aufgefallen.
    »Damit hat er immer aufgeschrieben, was er wollte, und dann konnte man das auf dem Bildschirm lesen. Nur mit zwei Fingern, aber das konnte er gut. Und gleichzeitig war das auch wie ein Handy. Er konnte damit einfach eine SMS schicken, aber das war wie Telefonieren. Die Leute haben Sprache gehört und konnten auch gleich antworten.«
    »Auch als SMS?«
    »Nein. Das kam über einen kleinen Lautsprecher.«
    Mit allem hatte Angermüller gerechnet, aber nicht damit. Sicherlich hatten die Kollegen den Computer auf die letzten Kommunikationsdaten überprüft – sofern beides nach dem Sturz noch vorhanden gewesen war und der Täter es nicht mitgenommen hatte! Plötzlich hatte er es eilig. Er musste unbedingt Sabine Zapf anrufen.
    »Ja, Frau Saratova, das war es dann wohl«, begann Angermüller. Dann fiel ihm noch etwas ein.
    »Sind Sie mal mit in dem Büro von dem Herrn Fink gewesen?«
    Irina verneinte.
    »Ich habe den nie kennengelernt, und ich weiß gar nicht, ob der überhaupt ein Büro hat. Ich nehme an, der Herr Fink ist immer nach Niederengbach gekommen.«
    »Na gut«, meinte Angermüller aufgeräumt. »Dann erst mal vielen Dank! Sie haben uns sehr mit Ihren Auskünften geholfen. Schönen Abend noch!«
    Die junge Frau sah ihn verdutzt an.
    »Das war es schon? Und was ist mit meinem Geld?«
    Ihre Stimme bekam wieder einen keifenden Unterton.
    »Haben Ihnen denn meine Kollegen keinen Tipp gegeben?«
    »Das hat die doch gar nicht interessiert.«
    Irina machte eine wegwerfende Handbewegung.
    »Die haben nur gesagt, wenn ich berechtigte Forderungen hätte, sollte ich mich rechtlich beraten lassen.«
    Angermüller zuckte bedauernd mit den Schultern.
    »Tja, ich fürchte, was anderes kann ich Ihnen auch nicht raten. Wiedersehen!«
    Als er durch den Vorgarten ging, wurde die Tür heftig hinter ihm zugeknallt, und aus dem Haus hörte er Irina laut fluchen. Er fummelte in seiner Hosentasche nach der Karte mit den Telefonnummern, die Sabine Zapf ihm noch zugesteckt hatte, als sie sich in der Kriminalpolizeiinspektion verabschiedet hatten. Er fröstelte. Es wurde langsam kühl hier draußen. Die Sonne hatte sich hinter die Hausdächer zurückgezogen und auch der Nachbar mit der Strickjacke war nicht mehr zu sehen. Angermüller setzte sich ins Auto, holte sein Handy heraus und tippte Sabine Zapfs Nummer ein. Doch plötzlich zögerte er.

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