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Nebelschleier

Titel: Nebelschleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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fängt auch an zu studieren.«
    »Da biste schon emal hier und dann biste nie da«, beschwerte sich seine Mutter. »Aber dass die heut e Fest feiern, wo gestern erscht der alte Steinlein gstorm is! Naa!«
    Sie schüttelte in stummer Empörung den Kopf, und Angermüller unterließ es, seine Freunde zu verteidigen. Gegen den Sittenkodex von Niederengbach wäre er sowieso nicht angekommen.
    »Morgen bin ich den ganzen Tag nur für dich da, Mamma!«
    »Des wern ma ja sehn«, sagte sie nur.

     
    In Coburg hatte Georg Angermüller noch einen dicken Strauß roter Rosen für seine Mutter erworben, den er jetzt ungesehen nach oben brachte und in dem kleinen Badezimmer ins gefüllte Waschbecken legte. Dann packte er die langstieligen, gelben Rosen, die für Rosi gedacht waren, und den Vogelbeerbrand, den er für Johannes in der Weinhandlung in der Johannisgasse gekauft hatte, in eine braune Papiertragetasche und machte sich zu Fuß auf den Weg. Die Dunkelheit war jetzt gänzlich hereingebrochen und es war herbstlich kalt. Im Schein der Straßenlaternen konnte Angermüller die feine Wolke seines Atems sehen.
    Rund um Steinleins Landgasthof parkten die Autos dicht an dicht. Er ging zum Hoteleingang und fragte an der Rezeption nach Paola. Ein freundlicher junger Mann, den er hier noch nicht gesehen hatte, verwies ihn in den Victoria & Albert-Salon. Auf dem Weg dorthin begegnete Angermüller dem kontaktfreudigen Engländer vom Vortag, der ihm auf sein »How are you?« sogleich enthusiastisch über das Programm im Festsaal erzählte, das ihnen vorhin geboten worden war.
    »It was a wonderful show! Entertaining and interesting, with so many historical details.«
    »That’s good«, murmelte Angermüller höflich.
    »Oh yes! We are quite pleased with our stay here in Coburg county!«
    Sie waren vor dem Restaurant angekommen.
    »Are you going to join us for the banquet tonight?«
    »Oh no«, Angermüller schüttelte den Kopf. »I only want to ask something the lady – the boss here, you know. I wish you a nice evening!«
    »Thank you Sir! Same to you!«
    Die Gäste standen in einer Ecke des Raumes, nahmen ihren Aperitif und unterhielten sich angeregt. Paola befand sich mitten unter ihnen. Ihr knöchellanges Kleid hatte der Modemacher auch wieder einem Dirndl nachempfunden. Es war schwarz mit silberner Stickerei und wirkte sehr elegant und festlich. Das Haar trug sie hoch aufgesteckt, und wie immer sah sie fantastisch aus. Als sie Georg Angermüller in der Tür bemerkte, lächelte sie ihm kurz zu, ließ aber ihre Aufmerksamkeit nicht von der älteren Dame, die sie gerade mit Beschlag belegt zu haben schien und ohne Pause auf sie einredete. Georg zog sich in den Flur zurück in der Hoffnung, dass Paola wenigstens für einen Moment für ihn abkömmlich war.
    »Georg! Was gibt es? Hast du Neuigkeiten?«
    Sie stand plötzlich vor ihm, nachdem er eine Ewigkeit ungeduldig gewartet hatte, wie er meinte. Er nickte nicht ohne Stolz.
    »Erzähl!«, sagte Paola gespannt.
    »Ich war bei Irina.«
    »Woher wusstest du, wo sie wohnt? Ich habe dir doch gar nicht ihre Adresse gegeben«, meinte sie erstaunt und fügte hinzu: »Das haben wir irgendwie völlig vergessen heute Nachmittag in dieser Hektik.«
    »Bea hat sie mir gegeben.«
    »Bea?« Paola sah ihn befremdet an.
    »Woher weiß denn Bea die Adresse?«
    »Reiner Zufall! Aber das ist ja auch nicht so wichtig. Irina hat mir von diesem Spezialgerät deines Vaters erzählt …«
    »Wovon?«, fragte Paola etwas geistesabwesend. Während ihrer Unterhaltung beobachtete sie zwischendurch auch immer wieder, was sich im Restaurant tat, winkte einem Kellner, damit er den Gästen nachschenkte, oder beantwortete mit einem freundlichen Nicken den Gruß eines vorbeikommenden Gastes.
    »Na ja, dieser spezielle Computer.«
    »Ach so, natürlich! Sein Schreibcomputer.«
    »Genau, mit dem er auch SMS schicken beziehungsweise telefonieren konnte.«
    »Tja, wir dachten, damit kann er wenigstens immer Hilfe holen, falls ihm was passiert, wenn er mal wieder allein mit seinem Rollstuhl unterwegs ist«, Paola seufzte und brach ab. Sie presste drei Finger der rechten Hand gegen ihre Stirn. Hinter ihrer strahlenden Erscheinung sah sie ziemlich angestrengt aus. Es wurde ihr aber auch verdammt viel abverlangt, dachte Angermüller. Gestern hatte sie einen Todesfall in der Familie, einen ungeklärten noch dazu, und trotzdem muss sie pausenlos funktionieren, ihr Personal dirigieren, für die Gäste da sein, und jetzt kam auch

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