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Nebelsturm

Nebelsturm

Titel: Nebelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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kamen mit einem Teller voller Fleischklöße zurück.
    »Es schneit ganz doll, Papa!«, sagte Livia.
    Joakim sah, wie dicke Flocken vor dem Fenster herumwirbelten.
    »Das ist doch wunderbar. Dann können wir morgen Schlitten fahren.«
    Livias schlechte Laune verschwand, so schnell wie sie gekommen war, und bald darauf diskutierte sie mit ihrem Bruder über die Geschenke, die schon unter dem Weihnachtsbaum lagen. Keinen von beiden schien der vierte Stuhl am Tisch zu interessieren, nur Joakim sah dauernd auf den leeren Platz.
    Was hatte er denn erwartet? Dass die Eingangstür sich öffnete und Katrine hereinspazierte?
    Die alte Bauernuhr, die an der Wand stand, schlug einmal – es war halb sechs, und schon lange war die Welt draußen in Dunkelheit gehüllt.
    Nachdem Joakim seine letzten Fleischklöße aufgegessen hatte, bemerkte er, dass sein Sohn im Begriff war einzuschlafen. Er hatte doppelt so viel gegessen wie sonst. Jetzt saß er mitschweren Augenlidern am Tisch und starrte auf seinen leeren Teller.
    »Gabriel, möchtest du schlafen gehen und dich ein bisschen ausruhen?«, fragte er. »Dann kannst du heute Abend länger aufbleiben.«
    Zuerst nickte Gabriel stumm, dann aber hatte er eine Bedingung.
    »Aber später spielen wir. Du und ich. Und Livia.«
    »Das können wir gerne tun.«
    Plötzlich wurde Joakim bewusst, dass Gabriel Katrine vielleicht schon vergessen hatte. Welche Erinnerungen hatte er von sich selbst als fast Dreijähriger? Keine.
    Er pustete die Kerzen aus, deckte ab und stellte das restliche Essen in den Kühlschrank. Dann brachte er Gabriel ins Bett.
    Livia wollte noch nicht schlafen. Sie wollte Pferderennen sehen. Joakim trug den kleinen Fernseher in ihr Zimmer und stellte ihn an.
    »Alles gut?«, fragte er. »Ich wollte kurz noch mal rausgehen.«
    »Wohin denn?«, fragte Livia. »Willst du die nicht reiten sehen?«
    Joakim schüttelte den Kopf.
    »Ich komme ja gleich wieder«, versprach er.
    Er kehrte zurück in den Salon, holte Katrines Geschenk unter dem Weihnachtsbaum hervor, zog sich einen warmen Pullover und dicke Stiefel an und steckte noch eine Taschenlampe ein.
    Er war so weit.
    Vor dem Wandspiegel blieb er kurz stehen. In dem unbeleuchteten Flur konnte er sein Spiegelbild kaum erkennen. Es schien, als könnte er durch sich hindurch die Konturen des Raumes erkennen. Joakim fühlte sich wie ein Geist, wie einer der Wiedergänger von Åludden. Er betrachtete die feine, weiße englische Papiertapete hinter dem Spiegel und den Strohhut, der an der Wand hing. Symbole für ein Leben auf dem Land.
    Auf einmal kam ihm alles so sinnlos vor – warum hatten sich Katrine und er eigentlich jahraus, jahrein damit beschäftigt, Häuser zu renovieren und einzurichten? Die Objekte waren immergrößer geworden, und kaum war das eine Projekt abgeschlossen, hatten sie mit dem nächsten begonnen und sich die größte Mühe gegeben, alle Spuren früherer Bewohner zu beseitigen. Warum?
    Ein leises Miauen riss ihn aus seinen Gedanken. Auf dem Läufer vor der Tür saß eine zusammengekauerte, kleine vierbeinige Gestalt.
    »Willst du mit raus, Rasputin?«
    Er ging auf die Verandatür zu, aber der Kater folgte ihm nicht. Er starrte ihn nur an und schlich dann in die Küche.
    Der Wind fegte über den Hof und ließ die kleinen Scheiben der verglasten Veranda erzittern.
    Joakim öffnete die Tür und wurde sofort von einem Windstoß gepackt. Der Wind war böig, wurde immer stärker und verwandelte die Schneeflocken in nadelscharfe Hagelkörner, die über den Hof schossen.
    Vorsichtig stieg er die Stufen hinunter und blinzelte mit halb geschlossenen Augen in den Schnee. Der Himmel über dem Meer war so dunkel wie noch nie zuvor, als wäre die Sonne für immer verschwunden. Die Wolkendecke war ein bedrohliches Schattengebilde aus grauen und schwarzen Feldern – gewaltige Schneewolken, die sich im Nordosten gebildet hatten, näherten sich der Küste und hingen tief über dem Wasser.
    Ein Sturm braute sich zusammen.
    Joakim ging über den gepflasterten Innenhof, durch Wind und Schneehagel. Er musste an Gerlofs Warnung denken, wie schnell man sich im Nebelsturm verirren konnte – aber auf den Wiesen und Feldern lag bisher nur eine dünne Schneedecke, und ein kurzer Ausflug zur Scheune schien ihm ungefährlich.
    Er ging zum Scheunentor und schob es auf.
    Kein Geräusch war zu hören.
    Ein Lichtschein im Augenwinkel ließ ihn stehen bleiben. Es kam von den Leuchttürmen, die Scheune verdeckte zwar den Nordturm,

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