Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nebelsturm

Nebelsturm

Titel: Nebelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
Vom Netzwerk:
ihrer Tochter auf dem Dachboden in Kisten verwahrt.
    »Nein, ich habe sie heruntergeholt und eingepackt«, erzählte Ingrid. »Und sie dann an Katrine geschickt … das war irgendwann im August.«
    »Und warum?«, fragte Joakim.
    »Na ja, sie hatte mich darum gebeten. Katrine rief mich an und wollte die Jacke geliehen bekommen. Sie wolle etwas überprüfen, sagte sie. Und deshalb habe ich sie ihr geschickt. Hat sie dir davon nicht erzählt?«
    »Nein.«
    »Habt ihr euch nicht ausgetauscht?«
    Joakim schwieg. Er wollte am liebsten antworten, dass sie selbstverständlich miteinander geredet, sich vollkommen vertraut hatten – aber ihm fiel ihr seltsamer Blick an jenem Abend ein, als sie erfuhren, dass Ethel umgekommen war.
    Katrine hatte Livia ganz fest in den Arm genommen und Joakim aus feuchten Augen angesehen, als sei etwas Wunderbares geschehen.
    Als es draußen dunkel wurde, begann Joakim mit den Vorbereitungen für das Festessen. Bereits am dreiundzwanzigsten Dezember das Weihnachtsessen zu servieren war vielleicht etwas verfrüht, aber er wollte so schnell wie möglich mit den Feierlichkeiten beginnen.
    So war es auch schon im letzten Jahr gewesen. Seine Schwester ertrank Anfang Dezember, und ihr Name wurde an den Feiertagen kein einziges Mal erwähnt – stattdessen hatten Katrine und er noch mehr Geschenke gekauft und noch mehr Essen zubereitet. Sie hatten die Apfelvilla mit vielen Lichtern und Dekorationen geschmückt.
    Natürlich hatten sie beide die Nähe von Ethel gespürt, Joakim hatte jedes Mal an sie denken müssen, wenn Katrine ihr Glas mit dem alkoholfreien Sekt gehoben und ihm zugeprostet hatte.
    Er blinzelte die Tränen weg und blätterte konzentriert in seinem Kochbuch Die besten Rezepte für Weihnachten . Er mühte sich redlich ab in der Küche, während draußen im Hof die Schatten immer länger wurden.
    Er briet Würstchen und Fleischklöße. Er schnitt den Butterkäse in Scheiben, schnitt den Kohl in schmale Streifen und wärmte die Rippchen im Ofen auf. Er grillte den Weihnachtschinken,schälte Kartoffeln und bepinselte das frisch gebackene Rosinenbrot mit Sirup und Wasser. Er legte Aal, Hering und Lachs auf eine Platte und bereitete das Lieblingsessen der Kinder zu: gegrilltes Hühnchen und Pommes frites.
    Joakim stellte eine Schüssel nach der anderen auf den Küchentisch. Rasputin bekam unter dem Tisch ein Schälchen mit frischem Thunfisch serviert.
    Gegen halb fünf rief Joakim Livia und Gabriel zu Tisch.
    »Essen ist fertig.«
    Sie stürzten in die Küche und blieben wie angewurzelt vor dem Tisch stehen.
    »Viel Essen!«, staunte Gabriel.
    »Das nennt man Weihnachtsbuffet!«, sagte Joakim. »Man nimmt einen Teller und legt sich von allem ein bisschen darauf.«
    Livia und Gabriel taten, wie er gesagt hatte, allerdings nur mit Einschränkungen. Sie nahmen etwas von dem Hühnchen, den Pommes, Kartoffeln und ein bisschen von der Soße. Aber Fisch und Kohl rührten sie nicht an.
    Sie gingen in den Salon und setzten sich an den großen Tisch unter dem Kronleuchter. Er goss Apfelsaftschorle ein und wünschte seinen Kindern eine schöne Weihnachtszeit. Er hatte erwartet, dass sie ihn fragen würden, warum er einen vierten Teller gedeckt hatte, aber das taten sie nicht.
    Er glaubte nicht wirklich daran, dass Katrine plötzlich auftauchen würde. Aber so konnte er zumindest den leeren Platz betrachten und sich vorstellen, dass sie bei ihnen wäre.
    So wie es hätte sein sollen.
    Auch seine Mutter hatte jahrelang zu Weihnachten einen Extrateller gedeckt und gehofft, dass ihre Tochter doch noch auftauchen würde. Aber Ethel kam nicht.
    »Darf ich aufstehen, Papa?«, fragte Livia nach zehn Minuten.
    »Nein«, antwortete Joakim ein wenig zu scharf.
    Ihr Teller war bereits leer gegessen.
    »Aber ich habe alles aufgegessen.«
    »Bleib bitte sitzen.«
    »Aber ich will Fernsehen gucken.«
    »Ich auch«, rief Gabriel, der allerdings bei Weitem noch nicht mit dem Essen fertig war.
    »Es gibt Pferderennen«, erklärte Livia, als sei das ein ausschlaggebendes Argument.
    »Bleibt bitte sitzen«, wiederholte Joakim noch strenger als zuvor. »Das hier ist wichtig. Wir feiern doch zusammen Weihnachten!«
    »Du bist doof«, schimpfte Livia und starrte ihn wütend an.
    Joakim seufzte.
    »Wir feiern doch zusammen Weihnachten!«, wiederholte er, allerdings ohne große Überzeugung.
    Die Kinder verstummten und blieben sitzen. Nach einer Weile stand Livia auf und ging, gefolgt von Gabriel, in die Küche. Beide

Weitere Kostenlose Bücher