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Nebelsturm

Nebelsturm

Titel: Nebelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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quer gelegt, alle unsere Einsatzwagen sind momentan dort.«
    »Und was ist mit den Schneepflügen?«
    »Die fahren nur die Hauptstraßen ab, sie werden in kürzester Zeit wieder zugeweht.«
    »Verstanden. So ist es hier auch.«
    »Kommen Sie so lange zurecht, 1217?«
    Tilda zögerte, sie wollte nicht erzählen, dass Martin bei ihr war.
    »Ich habe keinen Kaffee, aber ich glaube, das werde ich überleben«, erwiderte sie deshalb. »Sollte es noch kälter werden, suche ich in einem der nahe gelegenen Höfe Schutz.«
    »Verstanden 1217, ich habe alles notiert«, sagte Majner. »Viel Glück, Tilda. Und over.«
    Tilda hängte das Mikrofon zurück an das Funkgerät und blieb eine Weile ratlos hinter dem Steuer sitzen. Sie sah in den Rückspiegel, aber der Blick durch die Heckscheibe war bereits von einer dicken Schneedecke versperrt.
    Dann holte sie ihr Handy hervor und wählte eine Nummer in Marnäs. Bereits nach drei Klingelzeichen hob jemand ab, aber der Wind heulte so laut, dass sie kein Wort verstehen konnte. Sie hob die Stimme.
    »Gerlof?«
    »Ja, am Apparat!«
    Er war kaum zu hören und klang weit entfernt.
    »Hier ist Tilda!«, rief sie.
    Es krächzte in der Leitung. Der Empfang war miserabel, aber sie konnte seine Frage verstehen.
    »Du bist doch hoffentlich nicht draußen im Nebelsturm unterwegs?«
    »Doch, aber ich sitze im Auto … auf der Küstenstraße. In der Nähe von Åludden.«
    Gerlofs Antwort war nicht zu hören.
    »Was?«, schrie sie ins Handy.
    »Ich sagte, das ist aber gar nicht gut.«
    »Nein …«
    »Wie geht es dir denn?«
    »Alles in Ordnung. Ich habe nur …«
    »Aber geht es dir gut, Tilda?«, unterbrach Gerlof sie. »Ich meine, in Herz und Seele?«
    »In was? Was hast du gesagt?«
    »Ich mache mir nur Gedanken, ob du vielleicht unglücklich bist … in der Tasche vom Tonbandgerät lag ein Brief.«
    »Ein Brief?«
    In diesem Moment wusste Tilda, was Gerlof meinte. Sie hatte in den letzten Tagen nur an Henrik Jansson und die Ermittlungsarbeit gedacht und ihr Privatleben verdrängt. Jetzt meldete es sich wieder bei ihr.
    »Der Brief war nicht für dich bestimmt, Gerlof.«
    »Nein, aber …« Seine Stimme verschwand in einem elektrostatischen Rauschen, und sie konnte nur das Satzende verstehen: »… nicht zugeklebt.«
    »Ach so«, sagte sie. »Dann hast du ihn also gelesen?«
    »Ich habe die ersten Sätze gelesen … und dann ein bisschen vom Schluss.«
    Tilda schloss die Augen. Sie war zu müde und steif gefroren, um sich darüber zu ärgern, dass Gerlof in ihrer Tasche gewühlt hatte.
    »Du kannst ihn zerreißen«, sagte sie.
    »Soll ich ihn zerstören?«
    »Ja, wirf ihn weg.«
    »Dann mache ich das. Aber geht es dir gut?«
    »Mir geht es so, wie ich es verdiene.«
    Gerlof erwiderte etwas, aber es war zu leise, als dass sie es hätte verstehen können.
    Tilda hätte ihm am liebsten alles erzählt, aber sie konnte nicht. Sie konnte ihm nicht anvertrauen, dass Martins Frau schwanger geworden war und er die Affäre mit ihr trotzdem weitergeführt hatte. Sie war nur glücklich gewesen, dass Martin bei ihr war – sogar an dem Abend, als Karin Wehen bekommen hatte. Gegen Mitternacht erst war er im Krankenhaus angekommen, und im Gepäck hatte er eine Menge Entschuldigungen und Erklärungen, warum er die Geburt seines Sohnes verpasst hatte.
    Tilda seufzte.
    »Ich hätte es viel früher beenden müssen.«
    »Ja, ja«, sagte Gerlof. »Aber das hast du doch jetzt.«
    Sie warf einen Blick in den Rückspiegel.
    »Stimmt.«
    Der Schnee kletterte immer höher, man konnte kaum noch auf die Straße sehen. Das Auto war im Begriff, selbst zu einer Schneewehe zu werden.
    »Ich glaube, ich muss hier weg«, sagte sie.
    »Kannst du denn im Schnee fahren?«
    »Nein … das Auto steckt im Graben.«
    »Dann musst du nach Åludden gehen«, schlug Gerlof vor. »Aber schütze deine Augen, der Nebelsturm mischt Sand und Erde in die Schneeflocken.«
    »Okay.«
    »Und setz dich niemals hin, um dich auszuruhen, Tilda, wie müde du auch sein magst.«
    »Nein, mache ich nicht. Ich melde mich wieder bei dir«, verabschiedete sie sich.
    Dann sog sie noch einmal die geheizte Luft im Wagen ein, öffnete die Tür und kämpfte sich nach draußen.
    Der Wind drückte sie zurück, brüllte ihr in den Ohren und zerrte und riss an ihrer Kleidung. Sie schloss den Wagen ab und stapfte langsam die Straße hinunter, wie ein Tiefseetaucher mit Bleischuhen am Meeresgrund.
    Martin kurbelte seine Fensterscheibe herunter. Er musste

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