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Nebelsturm

Nebelsturm

Titel: Nebelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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haben, als sie allein zu Hause war. Sie hatte ihn gelesen und gewusst, dass es so nicht weitergehen konnte. DieNachbarn hatten schon zu lange das allabendliche Gebrüll ertragen müssen.
    Alle hatten genug von Ethel. Es musste etwas unternommen werden.
    Auf einmal fühlte sich Joakim unendlich müde und sank auf die Bank neben Ethels Jacke. Er starrte den Zettel in seiner Hand an. Da hörte er plötzlich durch den tosenden Wind ein schwaches, scharrendes Geräusch.
    Es kam von der Öffnung zum verborgenen Raum.
    Jemand war in der Scheune.

WINTER 1962
    Wenn der Nordturm leuchtet, wird jemand auf Åludden sterben. Ich hatte diese Legende oft gehört. Als ich aber an jenem Abend aus Borgholm nach Hause kam und das weiße Licht in der Leuchtturmspitze sah, dachte ich nicht daran. Ich war erschüttert, dass Ragnar Davidsson Toruns Gemälde an den Strand trug und sich um meinen Widerstand nicht zu kümmern schien.
    Ihm waren ein paar Leinwandrollen in den Schnee gefallen, und ich versuchte sie einzusammeln, aber viele wurden vom Wind davongetragen. Ich hatte nur zwei Leinwände in den Armen, als ich zum Hof zurückkehrte.
    Mirja Rambe
    Der Wind schiebt mich von hinten ins Waschhaus hinein, und ich stürze in die Vorratskammer, obwohl ich weiß, was mich dort erwartet.
    Weiße, leere Wände.
    Fast sämtliche Gemälde sind fort – auf dem Boden liegen nur noch vereinzelte Rollen, dafür mehrere Haufen Fischnetze.
    Die Tür zu unserem Wohnraum ist geschlossen, aber ich weiß genau, dass Torun dort sitzt. Ich bin außerstande, zu ihr zu gehen und ihr von der Tragödie zu erzählen, ich sinke zu Boden.
    Auf dem Tisch in der Vorratskammer stehen ein halb volles Glas und eine Flasche, die beide vorher dort noch nicht gestanden haben.
    Ich stecke meine Nase in die Flasche mit der durchsichtigen Flüssigkeit – es ist Schnaps, offensichtlich Davidssons Medizin, um warm zu bleiben.
    Überall auf dem Hof stehen ähnliche Flaschen herum, allerdings mit einem anderen Inhalt. Ich weiß sofort, was ich zu tun habe.
    Davidsson ist nirgendwo zu sehen, als ich über den Innenhof zur Scheune renne und im Dunkeln verschwinde. Ich finde mich auch ohne Licht zurecht und laufe ohne Umwege zu der Ecke mit dem Gerümpel, zu meinem Geheimversteck. Dort hinten steht nämlich ein ganz besonderer Blechbehälter – ein Behälter, auf den jemand ein schwarzes Kreuz gemalt hat. Den nehme ich mit und stürze zurück zum Waschhaus.
    Zurück in der Vorratskammer, leere ich den Großteil von Davidssons Flasche über einem seiner nach Teer stinkenden Fischnetze aus und fülle die Flasche mit der Flüssigkeit aus dem Blechbehälter auf. Auch sie ist durchsichtig und fast geruchlos.
    In einer Ecke steht ein Holzschränkchen, darin verstecke ich den Behälter.
    Dann setze ich mich auf den Boden und warte.
    Fünf oder zehn Minuten später poltert es an der Tür. Das Heulen des Windes ist plötzlich lauter zu hören, wird aber dann abrupt nach einem lauten Knall gedämpft.
    Ein Paar schwere Stiefel trampelt ins Waschhaus und stampft sich den Schnee von den Füßen. Es stinkt nach Schweiß und Teer.
    Ragnar Davidsson betritt die Vorratskammer und sieht zu mir herunter.
    »Wo bist du denn gewesen?«, fragt er. »Du bist heute Morgen einfach so verschwunden.«
    Ich antworte ihm nicht. Mich beschäftigt nur, was ich Torun erzählen soll. Sie darf niemals erfahren, was geschehen ist.
    »Bei irgendeinem Kerl vermutlich«, beantwortet Davidsson sich seine Frage selbst.
    Ich gebe ihm eine letzte Chance und zeige mit dem Arm hinunter zum Strand.
    »Wir müssen die Bilder zurückholen.«
    »Das geht nicht.«
    Er schüttelt den Kopf und tritt an den Tisch mit seinem Schnaps.
    »Die sind schon weg … auf dem Weg nach Gotland. Wind und Wellen haben sie mitgenommen.«
    Er gießt sich das Glas voll und hebt es hoch.
    Ich könnte ihn warnen, sage aber kein Wort. Ich sehe ihm nur zu, wie er trinkt – drei große Schlucke, das Glas ist fast leer.
    Dann stellt er es zurück auf den Tisch, leckt sich die Lippen und sagt:
    »Soso, kleine Mirja … worauf hättest du denn jetzt Lust, na?«

33
    H enrik erwachte, weil sein Großvater Algot wie ein bedrohlicher Schatten neben ihm im Schneegestöber stand. Algot beugte sich zu ihm herunter und hob einen Stiefel.
    Los, beweg dich! Willst du sterben?
    Er spürte harte Tritte, die seine Beine und Füße trafen, immer und immer wieder.
    Los, steh gefälligst auf! Du verdammter Dieb!
    Langsam hob Henrik den Kopf, wischte sich

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