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Nebelsturm

Nebelsturm

Titel: Nebelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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Schützen. Stiefelabdrücke und Anzeichen dafür, dass jemand im Schnee gelegen hatte, waren zu sehen. Aber sowohl der Mann als auch sein Gewehr waren verschwunden, und sie konnte keine Blutspuren entdecken.
    Er hatte sich wohl in die Scheune zurückgezogen.
    Tilda musste an Martins stark blutende Wunde im Rücken denken und blieb unschlüssig stehen. Das Scheunentor tat sichwie ein aufgerissenes Maul vor ihr auf, wie der Eingang einer Grotte. Sie wollte dort nicht hineingehen.
    Ein Stück weiter rechts entdeckte sie einen zweiten Eingang – eine schmale Tür aus schwarz gestrichenen Brettern. Vorsichtig schob sie sich an der Steinmauer entlang, feiner Schnee rieselte vom Dach in ihren Nacken und schmolz auf ihrer Haut.
    Tilda zog am Türgriff und drückte die Holztür so weit auf, wie es die Schneedecke erlaubte.
    Sie spähte hinein.
    Pechschwarz.
    Mit der Pistole im Anschlag betrat sie die finstere Stille der Scheune.
    Einen Augenblick lehnte sie sich gegen die Steinwand. Sofort meldete sich der Schmerz in ihrer Nase zurück. Angestrengt lauschte sie in die Dunkelheit. Ob jemand dort stand und ihr auflauerte, war nicht zu erkennen.
    Zumindest tobte der Sturm nicht so laut, dafür aber knackten und knirschten die Dachbalken. Schließlich riss sie sich zusammen und schlich leise weiter. Nun musste sie sich zwar nicht mehr durch Schnee kämpfen, dafür war der Untergrund uneben, Steinfußboden und blanke Erde wechselten sich ab.
    Als plötzlich vor ihr ein riesiger Schatten auftauchte, zielte sie nervös darauf – stellte aber gleich darauf fest, dass es sich nur um einen gewaltigen Gummireifen handelte. Auf der Motorhaube über dem Reifen stand McCORMACK.
    Tilda war auf einen alten Traktor gestoßen – ein rostiges Monster auf Rädern, das dort schon seit Jahrzehnten geparkt war.
    Leise schlich sie daran vorbei. Als sie Farbeimer und einen Stapel von Holzbrettern fand, wusste sie, dass sie sich in einem alten Lagerraum an der östlichen Stirnseite der Scheune befand.
    Plötzlich hörte sie das schwache Geräusch eines dumpfen Aufpralls. Hastig drehte sie sich um, aber hinter ihr war nichts.
    Zwei Männer waren in der Scheune, hatte Henrik gesagt. Trotzdem hatte Tilda den untrüglichen Eindruck, dass sich weitaus mehr Personen dort aufhielten – die in der Dunkelheit standen und wachten. Es war ein diffuses und unangenehmes Gefühl, und sie konnte es sich auch nicht ausreden.
    Ihre Augen gewöhnten sich allmählich an die Finsternis, und sie konnte die gegenüberliegende Steinmauer ausmachen.
    Da hörte sie ein Klirren. Es kam von links und aus dem Inneren der Scheune.
    Wenige Sekunden später wurde es etwas heller. Sie entdeckte eine Tür in der Holzwand neben ihr. Das Licht nahm zu, es war tanzend und flackernd.
    Tilda roch Rauch und ahnte, was geschehen war. Sie stürzte zur Tür und sah in die Scheune.
    Die Treppe, die hinauf zum Heuboden führte, stand in Flammen. Der scharfe Geruch von Petroleum mischte sich mit dem Rauch. Jemand hatte Heu zusammengeschoben und dann eine angezündete Petroleumlampe auf dem Boden zerschmettert. Die Flammen loderten empor und leckten und fraßen sich immer weiter.
    Auf der anderen Seite des Feuers stand ein groß gewachsener Mann. Er war ungefähr in Henriks Alter und hielt eine schwarze Strumpfmaske in der Hand. Er schien sie noch nicht bemerkt zu haben, sondern starrte gebannt in die größer werdenden Flammen. Sein Gesicht strahlte, und er wirkte geradezu aufgekratzt.
    An einen Holzpfeiler hinter ihm lehnte ein gerahmtes Ölgemälde, eine Waffe war nicht zu sehen.
    Tilda überprüfte ein letztes Mal, ob ihr keiner auflauerte, dann holte sie tief Luft und sprang in die Scheune. Mit beiden Händen hatte sie die Pistole im Anschlag und zielte auf den Mann.
    »Polizei!«, schrie sie.
    Er sah erstaunt auf.
    »Auf den Boden!«
    Der Mann blieb wie erstarrt stehen und öffnete den Mund.
    »Mein Bruder sucht einen anderen Ausgang, auf der Rückseite«, stotterte er verwirrt.
    Tilda ging auf ihn zu, sie war nur noch zwei Schritte von ihm entfernt.
    Er wich zurück, in Richtung Scheunentor. Sie folgte ihm.
    »Auf den Boden!«
    Wenn er ihrem Befehl nicht Folge leisten sollte, würde sie dann schießen? Sie wusste es nicht. Sie zielte zur Sicherheit auf seine Beine.
    »Ein letztes Mal: Legen Sie sich hin!«
    »Ja, ja, schon gut …«
    Der Mann nickte und legte sich umständlich auf den Boden.
    »Hände auf den Rücken.«
    Tilda hatte die Handschellen gelöst, packte seine

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