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Nebelsturm

Nebelsturm

Titel: Nebelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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gesagt.
    Er zitterte vor Kälte, ging aber trotzdem bis zu dem letzten Stein der Mole und sah hinunter in das schwarze Wasser.
    Hier hatte sie gestanden.
    Die Schuhspuren am Strand bewiesen eindeutig, dass Katrine allein auf die Mole gegangen war. Danach musste sie entweder ins Wasser gestürzt oder hineingesprungen und sofort ertrunken sein.
    Warum?
    Er fand keine Antwort. Er wusste nur, dass er im Augenblick ihres Todes in einem Keller in Stockholm gestanden und gehört hatte, wie sie ins Haus gekommen war.
    Joakim hatte sie rufen hören. Er war sich vollkommen sicher, und das bedeutete, dass die Welt viel unbegreiflicher war, als er es für möglich gehalten hatte.
    Nach einer halben Stunde in der Kälte ging er zurück zum Hof.
    Seine Mutter Ingrid war das einzige Familienmitglied, das nach der Beerdigung dageblieben war. Sie saß am Küchentisch und zuckte erschreckt zusammen, als er reinkam, die Stirn in sorgenvolle Falten gelegt. Die Falten waren in den vergangenenJahren immer tiefer geworden, verursacht durch die schwere Krankheit ihres Mannes und jede neue Krise, die sie mit Ethel durchstehen musste.
    »Jetzt sind die Letzten abgereist«, sagte Joakim. »Schlafen die Kinder schon?«
    »Ja, ich glaube schon. Gabriel hat sein Breifläschchen ausgetrunken und ist sofort eingeschlafen. Nur Livia war sehr unruhig … sie hob sofort den Kopf und rief nach mir, als ich mich aus dem Zimmer schleichen wollte.«
    Joakim nickte und setzte eine Kanne Tee auf.
    »Manchmal tut sie nur so, als würde sie schlafen«, erzählte er. »Sie will uns testen.«
    »Sie hat über Katrine gesprochen.«
    »Ach ja? Willst du Tee?«
    »Nein, vielen Dank. Tut sie das oft, Joakim?«
    »Nicht beim Einschlafen.«
    »Was hast du ihr erzählt?«
    »Über Katrine?«, fragte Joakim. »Nicht viel. Ich habe gesagt … dass die Mama weg ist.«
    »Weg?«
    »Dass sie verreist ist … so wie ich in Stockholm war, als Katrine und die Kinder schon hier lebten. Ich kann ihr im Moment nicht mehr erzählen. Ich schaffe das nicht.« Er sah seine Mutter an und wurde plötzlich nervös. »Hast du ihr heute Abend was gesagt?«
    »Nein, nichts. Das musst du tun, Joakim.«
    »Das werde ich auch«, versprach er. »Wenn du wieder gefahren bist und ich mit den Kindern allein bin.«
    Mama ist tot, Livia. Sie ist ertrunken.
    Wann würde er dazu in der Lage sein? Es erschien ihm so unmöglich, wie seinem Kind eine Ohrfeige zu geben.
    »Werdet ihr wieder zurückziehen?«, fragte Ingrid.
    Joakim starrte sie an. Er wusste genau, was sie hören wollte, nämlich dass er aufgab. Trotzdem tat er erstaunt.
    »Zurück? Meinst du zurück nach Stockholm?«
    Katrine hier allein zurücklassen? , fügte er in Gedanken hinzu.
    »Ja … ich bin doch da«, sagte Ingrid.
    »Ich habe kein Zuhause mehr in Stockholm«, wandte er ein.
    »Du kannst doch eure Villa in Bromma zurückkaufen. Oder nicht?«
    »Ich kann gar nichts kaufen, ich habe kein Geld, Mama, selbst wenn ich wollte. Unser ganzes Vermögen haben wir in diesen Hof gesteckt.«
    »Aber du kannst ihn doch verkaufen …«
    Ingrid verstummte und sah sich in der Küche um.
    »Åludden verkaufen?«, fragte Joakim entgeistert. »Wer würde den Hof in diesem Zustand kaufen? Der muss doch erst renoviert werden … Katrine und ich wollten das ja zusammen machen.«
    Seine Mutter schwieg und sah bedrückt aus dem Fenster.
    »Diese Frau auf der Beerdigung, die als Letzte kam … war das Katrines Mutter? Die Künstlerin?«
    Joakim nickte.
    »Ja, das war Mirja Rambe.«
    »Ich meinte auch sie auf eurer Hochzeit gesehen zu haben.«
    »Ich wusste nicht, ob sie kommen würde.«
    »Das versteht sich doch von selbst«, erwiderte Ingrid aufgebracht, »Katrine war doch ihre Tochter.«
    »Aber sie hatten praktisch keinen Kontakt mehr. Ich habe sie seit der Hochzeit kein einziges Mal gesehen.«
    »Waren sie verfeindet?«
    »Nein … aber sie waren auch nicht befreundet. Sie haben ab und zu miteinander telefoniert, aber Katrine hat praktisch nie von Mirja gesprochen.«
    »Wohnt sie auf der Insel?«
    »Nein, ich glaube, sie wohnt in Kalmar.«
    »Willst du dich nicht mit ihr in Kontakt setzen? Ich finde, das solltest du tun.«
    »Das finde ich nicht«, entgegnete Joakim.
    Er sah hinaus in den dunklen Innenhof. Er wollte niemandentreffen. Am liebsten würde er sich auf Åludden einschließen und den Hof nie wieder verlassen. Er wollte weder eine Stelle als Lehrer finden noch die Renovierungsarbeiten fortsetzen.
    Er wollte den Rest seines

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