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Nebelsturm

Nebelsturm

Titel: Nebelsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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Holmblad und sah über die Strandwiesen, die zum Meer hinunterführten. »Auch hier, an der Ostküste der Insel.«
    »Ach ja?«
    »Es ist so unbeschreiblich schön hier.«
    »Das stimmt«, bestätigte Tilda. »Meine Familie kommt von Öland, sie lebten in einer der Ortschaften in der Nähe von Marnäs. Die Familie meines Vaters.«
    »Tatsächlich? Haben Sie sich deswegen hierherversetzen lassen?«
    »Das war einer der Gründe«, sagte Tilda. »Der Job hat mich aber auch gereizt.«
    »Der Job, ja«, wiederholte Holmblad. »Ab heute wird es ernst.«
    Wenige Minuten später tauchte vor ihnen das gelbe Schild von Hof Åludden auf, und Holmblad bog in den geschwungenen Kiesweg. Kurz darauf waren die Leuchttürme und die roten Gebäude zu sehen. Dieses Mal sah Tilda den großen Leuchtturmwärterhof bei Tageslicht, auch wenn sich eine graue Wolkendecke vor die Sonne geschoben hatte.
    Holmblad parkte auf der Hofeinfahrt vor dem Hauptgebäude.
    »Vergessen Sie nicht«, wiederholte er, »Sie müssen kein Wort sagen, wenn Sie nicht wollen.«
    Tilda nickte. Ganz unten in der Rangfolge – dann bitte schön schweigen. So wie damals, als sie klein war und mit ihren zwei großen Brüdern am Abendbrottisch saß.
    Bei Tageslicht betrachtet, sah Åludden richtig gemütlich aus, fand Tilda, aber der Hof wäre ihr einfach viel zu groß, um dort zu wohnen. Holmblad klopfte gegen die Glasscheibe der Küchentür. Kurz darauf wurde geöffnet.
    »Guten Tag«, sagte Holmblad. »Da sind wir.«
    Joakim Westins Gesicht war noch grauer geworden, bemerkte Tilda. Sie wusste, dass er erst vierunddreißig war, aber er sah aus wie ein Fünfzigjähriger. Sein Blick war düster und müde. Er nickte nur Holmblad zu, Tilda wurde weder begrüßt noch eines Blickes gewürdigt.
    »Kommen Sie herein.«
    Westin verschwand im Haus. Sie folgten ihm. Es war überall sehr aufgeräumt und sauber, keine Wollmäuse. Allerdings hatte Tilda den Eindruck, dass sich über alles eine feine graue Schicht gelegt hatte.
    »Kaffee?«, fragte Westin.
    »Ja, gerne, vielen Dank«, erwiderte Holmblad.
    Westin ging zur Kaffeemaschine.
    »Sind Sie allein auf dem Hof … Sie und die Kinder?«, fragte Holmblad. »Keine Verwandten?«
    »Meine Mutter war zu Besuch hier, aber sie ist wieder nach Stockholm zurück gefahren.«
    Sie schwiegen. Holmblad zupfte seine Uniform gerade.
    »Wir möchten unser Bedauern zum Ausdruck bringen, dass … da etwas geschehen ist, was nicht hätte geschehen dürfen«, sagte er. »In diesem Fall hat es bei der Überbringung der Todesnachricht eindeutig an Routine gemangelt.«
    »Da bin ich ganz Ihrer Meinung«, erwiderte Westin.
    »Ja, wir bedauern das auch sehr. Aber …«
    »Ich dachte, es wäre meine Tochter«, flüsterte Westin.
    »Wie bitte?«
    »Ich dachte, meine Tochter wäre ertrunken. In dem Glauben habe ich die gesamte Strecke von Stockholm nach Öland zurückgelegt. Und der einzige Trost … und das war gar kein richtiger Trost, aber der einzige Trost für mich war, dass ich meine Frauantreffen würde und sie bestimmt noch schrecklicher leiden würde. Dann würde ich wenigstens sie bis ans Ende unseres Lebens trösten können.« Westin verstummte und fuhr leise fort: »Wir hätten wenigstens einander gehabt.«
    Er schwieg, sein Blick wanderte aus dem Fenster.
    »Ja, wie schon gesagt, wir bedauern das alles sehr«, wiederholte Holmblad. »Aber es ist nun leider geschehen … und wir müssen dafür sorgen, dass so etwas nicht noch einmal geschehen kann.«
    Westin schien ihm gar nicht zuzuhören. Er betrachtete seine Hände, und nachdem Holmblad verstummt war, fragte er:
    »Wie laufen die Ermittlungen?«
    »Ermittlungen?«
    »Ja, die polizeilichen Ermittlungen. Wegen des Todes meiner Frau.«
    »Aber da wird es keine Ermittlung geben«, erwiderte der Polizeichef überrascht. »Eine Ermittlung oder ein Verfahren werden nur dann aufgenommen beziehungsweise eröffnet, wenn ein Verdacht auf ein Verbrechen besteht. Aber der liegt in diesem Fall nicht vor.«
    Westin sah auf.
    »Soll das heißen, dass dieser Vorfall nicht ungewöhnlich genug war?«
    »Zugegebenermaßen nicht gewöhnlich«, gab Holmblad zu, »aber …«
    Westin holte tief Luft und sagte:
    »Meine Frau verabschiedet sich morgens von mir und kratzt danach den alten Lack von den Fenstern. Später macht sie sich etwas zu essen und geht dann zum Strand hinunter. Dort balanciert sie bis ans äußerste Ende der Mole und springt von dort ins Wasser. Hört sich das normal

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