Nebeltod auf Norderney
aus.
»Wollen wir hoffen, dass wir nachher trockenen Fußes zu unserem Wagen gelangen«, meinte er.
Die Bedienung trat an den Tisch. »Bitteschön?«, fragte sie.
»Ist es recht, wenn ich zwei Berliner und zwei Kännchen Kaffee bestelle?«, fragte Jesko.
Heide nickte.
»Die Berliner sind ganz frisch«, sagte die Serviererin.
»Nun, dann stimmen wir zu«, sagte Jesko.
Heide musterte ihn. »Aus ihrem gefälligen Verhalten Herrn Dyzan gegenüber schließe ich, dass sie als Unternehmer ein gutes Verhältnis zu Ihren Leuten haben.«
»Mein Vater hat das Unternehmen gegründet. Ich verfahre nach seinem Vorbild. Wer großzügig gibt, kann auch Gegenleistung fordern«, meinte er.
»Es kann nicht jeder das Sagen haben. Das müssen die Kleinen schon bei uns in der Schule lernen. Es regiert sich besser mit Geld. Chef ist, wer es hat«, sagte Heide Heynen ironisch.
»Vergessen Sie dabei nicht die Rolle, die das Schicksal spielt«, sagte Jesko Calvis.
Die Bedienung brachte das Gebäck und den Kaffee.
»Ein richtiger Pädagoge wäre ein schlechter Unternehmer. Er ist zu sehr auf den Menschen fixiert«, sagte sie.
»Meine Mutter war wie Sie Lehrerin. Ich studierte in Köln Betriebswissenschaften. Gute Voraussetzungen, einen Betrieb zu leiten«, sagte er ohne Arroganz und aß den Berliner.
Auch Heide Heynen stach die Gabel in das Gebäck.
»Mein Vater unterrichtet die Inselkinder von Baltrum und meine Mutter betreibt dort ein Café«, erzählte sie und verzehrte das Gebäck.
»Ich habe auf Norderney eine Wohnung. Ich mag die Insel und schätze an ihr, dass ich im Handumdrehen an- und abreisen kann«, sagte er, dabei hatte er seine Augen liebevoll auf die Lehrerin gerichtet.
»Bleibt Ihnen denn Zeit, das Leben auf Norderney zu genießen, bei der Betreuung der vielen Baustellen?«, fragte die Lehrerin.
»Ehrlich gestanden: nein. Zur Abwechslung bin ich mal drüben für ein Wochenende oder fahre mal nach Spanien in meine andere Wohnung, um nach dem Rechten zu sehen. Ich lebe alleine. Aber zum echten Genießen gehören zwei.« Er schaute verlegen zu Boden.
»Mir geht es ähnlich. Die Schule, und hin und wieder erwartet meine Mutter meine Hilfe. Kennen Sie Baltrum?«, fragte sie.
»Nein. Es wäre mir eine große Freude und Ehre, wenn Sie mir die Insel zeigen könnten.« Er lächelte.
»Vorausgesetzt, das Wetter spielt mit. Ich bin nicht abgeneigt. Jetzt im Frühsommer zeigt sich die Insel von der Schokoladenseite. Haben Sie an einem Samstag oder Sonntag Zeit?«, fragte sie.
»Da bleibe ich am Ball! Sagen wir am Samstag in einer Woche«, meinte Jesko Calvis.
Sie griff in die Tasche ihrer leichten Strickjacke und holte den Fahrplan raus.
»Unsere Fähre ist tideabhängig«, sagte sie und schlug den Faltfahrplan auf. »Das Glück ist uns hold. Abfahrt ab Neßmersiel um vierzehn Uhr dreißig und ab Baltrum um achtzehn Uhr fünfundvierzig.«
»Wenn ich Sie richtig einschätze, dann werde ich nicht falsch liegen, wenn ich mich am besagten Samstag für sportliche Garderobe entscheide. Sollte es unentwegt regnen, dann schließen wir uns den Feriengästen an, die zu sagen pflegen, es gibt kein schlechtes Wetter, sondern nur schlechte Kleidung«, meinte er.
»Außerdem gibt es reizende Cafés auf Baltrum«, sagte sie lächelnd, steckte den Fahrplan weg und rief die Bedienung. Sie griff zur Geldbörse.
»Seien Sie nicht böse, wenn ich bezahle. Herr Ali Dyzan zählt zu meinen Handwerkern«, sagte er.
»Danke«, sagte sie und steckte ihre Geldbörse weg. Sie wusste, dass Widerreden nichts brachten, da die Serviererin seinen 10-Euroschein schon entgegen nahm. Er ließ ihr das Wechselgeld. Sie bedankte sich.
Sie verließen das Café, gingen am Pförtner vorbei und zum geparkten Wagen, stiegen ein und fuhren nach Hage zur Schule.
»Ich werde an dem Samstag eine halbe Stunde vor Abfahrt der Fähre in Neßmersiel am Ableger sein«, sagte er, als sie ausstieg und in den Regen trat. »Bis dann! Tschüß!«
Er fuhr los. Am Himmel trieben schwere Regenwolken. Er schaltete das Radio an und hörte NDR 3. Gerd Albrecht dirigierte das Radiosinfonieorchester. Es spielte »Carmen« von Bizet.
Die Lehrerin gefiel ihm. Sie war nicht nur schön, schlank und sportlich, sondern auch sehr sympathisch. Sie war, so vermutete er, nur wenig jünger als er. Vielleicht war sie noch frei? Gerade an Schulen kam es oft vor, dass gut aussehende Lehrerinnen nicht den gewünschten Partner fanden.
Jesko Calvis wunderte sich über sich selbst. Heide
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