Nebeltod auf Norderney
bitte keine Vorwürfe. Angesichts des Ausmaßes der Tragödie ist es mehr als recht, selbst vor engsten Bindungen nicht Halt zu machen. Ihr Freund hätte sich wenigsten um das Opfer kümmern müssen«, sagte er und nahm wieder Platz. »In welcher Klasse haben Sie gleich Unterricht?«
»In der Vier C«, antwortete sie.
Jemand klopfte an die Tür.
»Ja, bitte!«, rief der Schulleiter.
Es war die Sekretärin, die den Tisch deckte und den Tee servierte.
»Richten Sie bitte Herrn Obermeier aus, er möchte Frau Heynen im Unterricht vertreten«, sagte der Schulleiter zu seiner Sekretärin und schenkte den Tee aus. »Stärken Sie sich! Die Polizeibeamten sind unterwegs. Es ist Ihnen bestimmt nicht leichtgefallen. Umso bewunderungswürdiger ist Ihre Entscheidung.«
Dodo Wilbert befand sich auf der Rückfahrt von seiner Schleswig-Holstein-Tour. Das Ladegeschäft hatte ihn ermüdet. Die Abenddämmerung setzte ein. Es hatte keinen Neuschnee gegeben. Der Fernfahrer war müde und warf einen Blick auf den Polizeiwagen, der ihm folgte, als er seinen Sattelschlepper auf dem Parkplatz Huntetal abstellte. Er ging zur Raststätte, suchte die Toilette auf, schlug sein Wasser ab, wusch sich die Hände und betrat die Gaststätte. Er bestellte bei der Bedienung Bratwurst mit Sauerkraut, bezahlte und fand noch einen freien Fensterplatz. Er aß mit Appetit. Nach dem Essen holte er sich noch einen Becher Kaffee. Er trank ihn in kleinen Schlucken und rauchte dabei eine Zigarette.
Gestärkt verließ er die Raststätte, öffnete das Führerhaus und stieg ein. Überrascht bemerkte er den Polizeipassat, der ebenfalls Anstalten machte, nach ihm den Parkplatz zu verlassen. Zufall, dachte er, fuhr auf die Autobahn und gliederte sich in den fließendenVerkehr ein. Wenige Zeit später überholten die Polizisten ihn in Oldenburg. Er schenkte ihnen keine Aufmerksamkeit mehr und verlor das Interesse an ihnen. Umso erstaunter reagierte er, als sie direkt nach ihm auf den Betriebshof in Wilhelmshaven fuhren. Sie parkten neben seinem Sattelschlepper, stiegen aus und näherten sich. Sie hoben zur Begrüßung ihre Hände an die Mützen und warteten, bis er das Führerhaus verlassen hatte.
»Gestatten, Kommissar Temberg, mein Kollege Kommissar Hasse von der Polizei Wilhelmshaven. Sie sind Dodo Wilbert«, sagte der Beamte.
Der Fernfahrer nickte überrascht. »Wenn ich mich nicht täusche, dann habe ich Sie bereits in Oldenburg gesehen. Darf ich erfahren, was Sie von mir wollen?«
»Wir bitten Sie, mit uns zu unserem Wagen zu kommen. Dort können wir ungestört mit Ihnen reden. Ihr Fahrdienstleiter weiß Bescheid.«
Dodo Wilbert sah, wie er ihm zuwinkte, und folgte den Beamten zum Passat.
»Steigen Sie bitte hinten ein«, sagte der Beamte, der Hasse hieß. Er hielt die Tür des Wagens auf.
Dodo nahm auf der hinteren Sitzbank Platz. Hasse schlug die Tür zu und setzte sich mit Temberg auf die vorderen Sitze.
»Herr Wilbert, ich hätte gern Ihren Personalausweis und Ihren Führerschein«, sagte der Kommissar.
Dodo reichte Temberg die Papiere. Ihm wurde bewusst, dass sie ihn wegen des mutmaßlichen Unfalls beim Schneegestöber in Neuharlingersiel verhörten. Er gab sich unwissend.
»Sie stehen im Verdacht, am Freitagabend an der Kreuzung vor dem Schlösschen in Neuharlingersiel den achtzehnjährigen Gymnasiasten Onno Everts angefahren zu haben«, sagte Kommissar Hasse ernst.
Dodo wurde blass. »Das war ich nicht. Es schneite am Freitagabend. Ich habe keinen Radfahrer gesehen«, behauptete er.
»Es hat keinen Zweck zu lügen. Ihre Freundin hat uns auf den Plan gerufen«, sagte Temberg und füllte das Protokoll aus. »UnsereKollegen fanden den jungen Mann am Freitagabend spät im Schnee. Er ist an den Folgen des Verkehrsunfalls verstorben. Frau Heide Heynen gegenüber haben Sie den Unfall zugegeben. Sie haben sich nicht um den Verletzten gekümmert.«
Das war zu viel für Dodo.
»Ich habe niemanden gesehen an der Kreuzung!«, schrie er und wurde nicht fertig mit der Riesenenttäuschung. Heide hatte ihn verraten! Ihn angezeigt!
»Wir beschlagnahmen Ihren Lastzug für die kriminalistische Untersuchung. Begleiten Sie uns zum Revier«, sagte Kommissar Hasse.
»Gegen Sie liegt ein Haftbefehl vor«, sagte Temberg.
Bereits in Kalifornien erfuhr Heide Heynen telefonisch von ihren Eltern, dass ihr Freund Dodo Wilbert wegen erwiesener Fahrerflucht und unterlassener Hilfeleistung den Tod des Schülers Onno Everts mutmaßlich verschuldet hatte und
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