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Nebenan: Roman

Nebenan: Roman

Titel: Nebenan: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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5 beendete das kurze Glücksgefühl. Er brauchte sich gar nicht umzudrehen, um zu wissen, dass Rosanne in den Behandlungsraum zurückgekehrt war. Sie hatte schon immer teure Parfüms gemocht, aber seit gestern übertrieb sie!
    »Herr Salvatorius …« Die Assistentin kam um den Behandlungsstuhl herum und griff nach dem stählernen Tablett, auf dem die Instrumente lagen. Plötzlich blieb sie wie versteinert stehen. Die Augen weit aufgerissen starrte sie Salvatorius an. Das Tablett entglitt ihren Fingern. Zangen, Meißel und Skalpelle schlugen mit hellem Klang auf den Fußboden.
    Salvatorius sah sie verständnislos an. Dann legte er das Skalpell, das er gerade sauber geleckt hatte, auf die Ablage des Zahnarztstuhls.

15

    Im Halbschlaf klammerte sich Till an seinen Traum. Er war bei Neriella gewesen, in ihrem Baum, doch jetzt glitten die Traumbilder immer schneller davon. Noch fühlte er sich warm und geborgen. Der Duft von Heu und Wolle hing in der Luft. Und auch Rauch. Sein Gesicht war an etwas Warmes, Pelziges geschmiegt. Etwas Pelziges?
    »Du kannst ruhig die Augen aufmachen«, erklang eine leise Bassstimme. »Ich weiß, dass du nicht mehr schläfst.«
    Till blinzelte. Auf seiner Brust hockte eine kleine, graue Maus und beobachtete ihn aufmerksam. Sie hatte eine lederne Botentasche über der Schulter hängen. »Mach jetzt keine hektischen Bewegungen! Ich hab keine Lust, fliegen zu lernen!« Die Bassstimme aus dem Traum gehörte zur Maus! Till setzte sich ruckartig auf.
    »Scheiße!« Der Nager segelte in weitem Bogen durch die Luft, überschlug sich zweimal und landete in dem Heu, mit dem der Boden der winzigen Kammer bedeckt war, in der sich Till befand. Verwirrt sah sich der Student um. Der Ort war ihm fremd. Er konnte sich nicht erinnern, wie er hierher gekommen war. Links von ihm hing eine schwere Wolldecke mit Mottenlöchern, durch die blasse Lichtspeere ins Zwielicht der engen Kammer stachen.
    »Menschen!«, fluchte die Maus mit der Bassstimme. »Das nächste Mal werde ich es mir zweimal überlegen, Mozzabella einen Gefallen zu tun.« Der Nager rappelte sich auf, fingerte am Lederriemen seiner Botentasche herum und fixierte Till mit dunklen Knopfaugen. »Mozzabella wünscht dich zu sehen. Wenn du die Güte hättest, mir zu folgen?« Die Maus nickte in Richtung des wollenen Vorhangs.
    Till rieb sich die Augen. Mozzabella? Langsam kehrte die Erinnerung an den letzten Abend zurück. Die Festhalle … Der Met! Und jetzt dieses Gefühl, statt einer Zunge ein schläfriges, kleines Pelztier im Mund liegen zu haben.
    Etwas bewegte sich an Tills Seite. Neben ihm lag ein zerzauster, grauer Wolfshund im Heu. Offenbar hatte er den Vierbeiner als Kopfkissen benutzt. Einen Moment lang fragte sich der Student, wer wohl noch mit ihm in dieser Schlafnische übernachtet haben mochte.
    »Muss Mozzabella persönlich vorbeischauen, damit du endlich aus dem Heu kommst?«, fragte der Mäusebass.
    »Schon gut.« Till zog das zerschlissene Wolltuch zur Seite und kam ein wenig schwankend auf die Beine. Er war noch immer in dem Langhaus, in dem sie gestern Nacht gefeiert hatten. Entlang der niedrigen Seitenwände waren hier etliche hölzerne Nischen abgeteilt, vor die man Vorhänge ziehen konnte, um sich vor neugierigen Blicken zu schützen. Die meisten der Nischen waren nun verlassen.
    In der Festhalle herrschte die ruhige Betriebsamkeit eines gut organisierten Haushalts. Dünne Rauchschwaden stiegen von glühenden Kohlebecken und Öllämpchen auf, vermischten sich mit dem Geruch von Mensch und Tier, dem Duft frisch gebackenen Brots, warmen Hirsebreis und von schalem Bier.
    Fast schien es, als hinge Nebel in der langen Halle, hier und dort vertrieben durch das rötliche Glühen des Herdfeuers und der Feuerschalen oder durch die blassgelben Flammen der Lampen. Die Konturen der Halle und ihrer Bewohner schienen schon auf wenige Schritt Distanz zu verschwimmen und eher geisterhafte Traumgespinste als greifbare Wirklichkeit zu sein.
    Aus dem Dunst löste sich die riesenhafte Gestalt Klöppels. Er hatte beide Arme voller frisch geschlagener Holzscheite und steuerte auf die Feuerstelle in der Mitte der Halle zu. Zwei kleine Blütenjungfern segelten um seinen unförmigen Schädel und trieben ihre Späße mit ihm. Einige Heinzelfrauen standen an der Feuergrube in der Mitte der Halle, hielten ein Schwätzchen und ließen wie nebenbei Teller herumschweben und schwere Löffel durch die Töpfe auf dem Feuer rühren. Neben ihnen hockte Almat und

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