Nebenan: Roman
ein. Er sah zu Almat und Martin. »Hier werden unsere Feinde richtige Schwerter in Händen halten, wenn sie auf uns losgehen. Ich hoffe, das ist euch klar. Hier gibt es auch keine Polsterwaffen wie im Live-Rollenspiel.«
»Auf den Mittelaltermärkten haben wir auch mit richtigen Schwertern gekämpft«, erwiderte Rolf und grinste zuversichtlich. »Ich finde, Gabriela hat Recht. Es sieht wirklich so aus, als hätten wir uns unser Leben lang unbewusst auf dieses Abenteuer vorbereitet. Und ich glaube, wir sind ganz gut gewappnet.«
Du hast leicht reden, dachte Till bei sich. Schließlich war Rolf der beste Schwertkämpfer unter den Ui Talchiu. Ihn würde es gewiss als Letzten erwischen. »Vorbereitet, sagst du? Die Dunklen werden uns umbringen, wenn sie herausfinden, wer wir wirklich sind. Wie bereitet man sich auf so was vor? Kannst du mir das verraten?«
»Natürlich kann es sein, dass uns etwas passiert. Aber was ist, wenn wir jetzt zurückgehen?«, mischte sich Gabriela ein. »Vielleicht werde ich siebzig Jahre alt oder sogar noch älter. Und jeden verdammten Tag in meinem Leben werde ich mich fragen, wie es gewesen wäre, einmal ein Abenteuer zu leben, statt immer nur davon zu träumen. Und welche Sicherheit habe ich, dass ich überhaupt siebzig werde? Vielleicht habe ich schon längst das falsche Steak gegessen und werde in ein paar Jahren jämmerlich an Alzheimer verrecken. Vielleicht werde ich auch ganz banal von einem Auto überfahren … Sicher ist, dass wir alle irgendwann einmal dran sind, denn das Leben ist eine Krankheit mit stets tödlichem Verlauf. Allerdings liegt es ein Stück weit bei uns, zu entscheiden, was für ein Leben wir geführt haben, bevor es uns erwischt. Das Schicksal hat uns eine Chance gegeben. Ich kann nicht für euch entscheiden, aber ich werde diese Chance nutzen! Wenn es mir um Sicherheit in meinem Leben gegangen wäre, wäre ich nicht Tänzerin, sondern Steuerberaterin geworden. Ich werde bleiben!«
»Ich auch!«, stimmte Rolf entschieden zu. »Selbst wenn Helden in dieser Welt dazu verdammt sind, rosa Umhänge zu tragen.« Er trat an Gabrielas Seite und rammte ebenfalls sein Schwert in den Boden.
Till sah zu Almat und Martin. Auch sie beide zogen die Schwerter und stießen sie in den Boden.
Till zögerte. Nicht, dass er Nebenan verlassen wollte. Doch was wäre, wenn einem von ihnen etwas geschah? Hatte er wirklich sein Bestes gegeben, sie auf die Gefahren hinzuweisen?
»Wie sieht es mit dir aus?«, fragte Gabriela herausfordernd. »Möchtest du zu deiner Liebsten zurück? Wir werden dich nicht aufhalten.« Sie sah kurz zu den anderen. Keiner widersprach ihr. »Aber erinnerst du dich noch an unseren alten Wahlspruch im Rollenspiel?«
Das ist nicht fair, dachte Till bitter. »Findest du das jetzt nicht ein wenig pathetisch?«
»Helden sind pathetisch!«, entgegnete sie entschieden. Gabriela zog ihr Schwert aus dem schlammigen Boden und streckte es dem Himmel entgegen. Auch die anderen drei hoben ihre Schwerter und kreuzten mit ihr die Klingen.
Till gab auf. Seine Hand fuhr zum Schwertgriff und er schloss den Kreis der gekreuzten Waffen.
»Einer für alle und alle für einen!«, wiederholten sie feierlich den Eid, den sie einander schon so oft in ihren Spielen geschworen hatten.
*
»Die spinnen, die Langen !«, murmelte Birgel und zog sich wieder in Deckung hinter die Tempelsäulen zurück, obwohl das in Anbetracht der besonderen Umstände nicht nötig gewesen wäre, denn er und Wallerich waren ohnehin nicht zu sehen. »Wenn die mit dieser Einstellung zu den Dunklen reiten, dann wird die Sache kein gutes Ende nehmen. Wir sollten überlegen, ob wir uns unterwegs nicht verdrücken. Im Übrigen glaube ich, dass sich das Problem mit deinem Nebenbuhler bei Neriella von ganz alleine lösen wird.«
Wallerich blickte den Langen nachdenklich hinterher, bis sie hinter dem Langhaus verschwunden waren. Allmählich begann er zu begreifen, was Neriella an diesem Studenten fand. Für einen Menschen war er ganz in Ordnung.
Mozzabella hatte Wallerich früh am Morgen zu sich eingeladen und mit ihm lange über die Mission bei den Dunklen gesprochen. Sie machte keinen Hehl daraus, dass sie die ganze Sache für einen Auswuchs krankhaften Männlichkeitswahns hielt. Danach hatte sie ihm einen Tarnmantel überlassen, der ihn unsichtbar machte, sobald er dessen schweren Bronzeverschluss zuhakte. So hatte Wallerich unbemerkt dem Gespräch der Ältesten mit Till lauschen können, und als die
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