Nebenan: Roman
Langen anschließend die Festhalle verließen, hatte er Birgel mit unter den Mantel genommen und war ihnen gefolgt. Nach diesem Morgen war Wallerich klarer, was Nöhrgel und Mozzabella einmal aneinander gefunden hatten und warum ihre Ehe dennoch unweigerlich scheitern musste. Die beiden waren sich zu ähnlich!
»Sollen wir diese Irren wirklich auf ihr Todeskommando zu den Dunklen begleiten?«, fragte Birgel. »Irgendwann müssen wir ohnehin zurückbleiben. Wir können nicht auf das Thing . Warum sollten wir also in der Wildnis herumsitzen und auf sie warten. Bleiben wir einfach hier, wo es warm und gemütlich ist und wo es regelmäßige Mahlzeiten gibt. Mit ein bisschen Glück sehen wir sie nie wieder und du hast Neriella wieder für dich allein!«
Wallerich knetete nachdenklich seinen Bart. Nüchtern betrachtet hatte Birgel absolut Recht. Aber wenn die Dryade jemals herausbekommen sollte, dass er Till hier im Stich gelassen hatte … Nein, das konnte nicht der Weg sein! Letzte Nacht hatte er sich ohnehin schon einen anderen Plan zurechtgelegt. »Ich werde den Studenten zu einem Duell herausfordern, sobald wir wieder zu Hause sind. Hier werden wir nur mit heiler Haut herauskommen, wenn wir alle füreinander einstehen.«
»Was? Sind dir diese Musketiersprüche von den Langen irgendwie aufs Hirn geschlagen? Du willst diesen Till zum Duell fordern? Ich glaub, du brauchst ’ne Brille! Der Kerl ist mehr als fünfmal so groß wie du!«
»Na und? Hast du noch nie etwas von David und Goliath gehört?«, fragte Wallerich und bemühte sich, gelassen zu wirken. Birgel hatte zielsicher den wunden Punkt in seinem Plan aufgedeckt, aber es blieb ja noch etwas Zeit, darüber nachzudenken.
»David und Goliath!«, ereiferte sich der Heinzelmann. »Das waren zwei Lange , die gegeneinander gekämpft haben. Ein Heinzelmann gegen einen Menschen … Das kann man nicht damit vergleichen.«
»Du willst mich ja wohl auch nicht ernsthaft mit einem Menschen gleichsetzen. Schließlich gibt es noch andere Mittel als Steinschleudern, um zu gewinnen. Besonders wenn man unsere Möglichkeiten hat.«
»Du willst doch nicht etwa in einem Duell mogeln?«, fragte Birgel entrüstet. »Wenn du das vorhast, kannst du mich als Sekundanten vergessen! So etwas unterstütze ich nicht! Überleg dir die Sache doch noch mal. Gib Neriella ein bisschen Zeit, und sie wird begreifen, dass so ein Mensch nicht das Richtige für sie ist!«
»Nein! Außerdem, was heißt hier mogeln? Mogeln ist das falsche Wort. Ich werde lediglich dafür sorgen, dass unsere Chancen zu gewinnen … ähm … sagen wir mal, ausgeglichen sind. Ist das mogeln? Das ist nur eine Frage von Fairness! Jetzt lass uns zurück in die Festhalle gehen, bevor uns die Langen noch vermissen.«
16
Nach dem Frühstück brachten Mozzabella und Klöppel die Ui Talchiu bis hinunter zum Fluss. Die Älteste ließ sich nicht mehr anmerken, wie vehement sie sich noch vor knapp einer Stunde gegen die Reise zu den Dunklen ausgesprochen hatte. Sie saß auf der Schulter des Ogers und war so in Augenhöhe mit Martin, der eine graue Stute ritt. Die beiden plauderten über Musik und die Schwierigkeiten, bei dieser feuchten Witterung eine Laute zu stimmen. Doch das allzu bemühte Ringen um den Schein der Banalität ließ sie die unterschwellige Spannung nur noch deutlicher spüren.
Und dann waren da noch die beiden Heinzelmänner … Sie hatten darauf bestanden, mit Till zu reiten. Ein Faun aus dem Gefolge Mozzabellas hatte zwei kleine Weidenkörbe geflochten, die man vor Tills Sattel gehängt hatte. Darin hockten nun Wallerich und Birgel, gut mit Decken und Kaninchenfellen gewärmt. Die zwei hatten sich nicht dazu geäußert, warum sie ausgerechnet mit ihm reiten wollten. Vor allem Wallerich ging Till schon jetzt, wo ihre Reise noch nicht einmal seit einer Viertelstunde begonnen hatte, auf die Nerven. Der Heinzelmann hockte in seinem Körbchen, hatte sich die Kapuze in den Nacken geschoben und starrte mit unbewegtem Gesicht zu Till empor.
Zweimal schon hatte Till nachgefragt, ob es etwas gäbe, doch der Heinzelmann antwortete mit Ausflüchten und starrte weiter. Der Kerl war unheimlich!
Birgel hingegen war auf andere Weise lästig. Kaum dass sich Tills Pferd in Bewegung gesetzt hatte, wurde der dickliche Heinzelmann blasser und blasser. Wie ein Seekranker fixierte er den Horizont und knirschte dabei mit den Zähnen. So wie es aussah, war es nur eine Frage der Zeit, bis er über dem Rand seines Korbs hängen
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