Nebenan: Roman
nimmst du mein Angebot nicht an? Du könntest einfach zurückgehen und mit ihr in Frieden leben. Was hält dich hier?«
»Ich kann diese Entscheidung nicht treffen ohne mit meinen Freunden gesprochen zu haben.«
»Mach dir nichts vor! Wir beide wissen, dass das eine Ausrede ist. Glaubst du, du bist ein männlicherer Mann, wenn es dir gelingt, die Dunklen zu überlisten und ungeschoren zurückzukehren? Glaubst du, dieser Triumph ließe dich in Neriellas Augen begehrenswerter erscheinen? Oder könnte es sein, dass du am Ende nur ein willenloser Diener deiner eigenen Eitelkeit bist?«
»Ich verstehe jetzt, warum die Heinzelmänner von hier geflohen sind«, sagte Till zynisch. Halb hoffte er, dass sie ihn hinauswerfen würde, wenn er nur frech genug wurde. Auf der anderen Seite war ihm klar, dass, wenn es jemanden gab, der die Hilflosigkeit hinter seinen Worten sofort durchschauen würde, dies Mozzabella war.
»Glaubst du wirklich?«, entgegnete die Älteste ironisch. »Du bist mit Urteilen schnell bei der Hand. Aber geh nur zu deinen Freunden. Über eines solltest du dir jedoch im Klaren sein. Was du tust, entscheidest zuletzt nur du selbst. Jedenfalls wenn du so frei bist, wie du glaubst.«
Till reckte stolz sein Kinn vor. »War das alles, was du mir zu sagen hattest?« Seine Stimme klang leider nicht halb so selbstsicher, wie er es sich gewünscht hatte.
»Ich bin nicht der brennende Dornbusch. Die Antwort auf deine drängendsten Fragen kennst nur du selbst.«
»Ja, ja …« Er wandte sich ärgerlich ab und ging zur Tür. Till hielt die Klinke schon in der Hand, zögerte dann aber doch, hinauszugehen. Halb wartete er darauf, dass Mozzabella noch etwas sagte. Doch die Älteste schwieg. Till dachte an Neriella. Über einen Brief würde sie sich wahrscheinlich sehr freuen …
»Dann schreib ihr doch. Mein Angebot steht noch, und Strogow nimmt sich in der Regel reichlich Zeit, wenn er einmal mit dem Essen angefangen hat.«
»Könntest du bitte aufhören in meinen Gedanken herumzustochern!«, zischte Till gereizt.
Zum ersten Mal wirkte Mozzabella verlegen. Sie wich seinem Blick aus. »Tut mir Leid, es war … Etwas an deiner Aura hatte sich plötzlich verändert. Man konnte deine Liebe spüren. Ich war …« Sie zuckte entschuldigend mit den Achseln. »Ich war einfach neugierig. Das ist meine Schwäche. Und ich stehe auch dazu.«
Tills Wut war verraucht. Mit ihrem Geständnis hatte sie ihm den Wind aus den Segeln genommen. Außerdem war es ohnehin klüger, sich gut mit ihr zu stellen. Schließlich brauchte er sie noch, wenn er nicht in Zukunft in einem Barbiepuppenhaus wohnen wollte. Aber das sollte sie besser nicht wissen. Er sollte an etwas anderes denken. Zum Beispiel den Brief …
»Papier und Feder findest du im Nebenzimmer auf dem Sekretär«, erklärte die Älteste.
Till seufzte.
»’tschuldigung«, murmelte Mozzabella. »Das ist wirklich eine dumme Angewohnheit von mir. Ich … werde versuchen mich zu bessern.«
*
»Nein! Ein halbes Leben lang haben wir in unserer Phantasie die abgedrehtesten Abenteuer bestanden. Und jetzt, wo in unserem Leben wirklich mal etwas passiert, sollen wir einfach den Schwanz einziehen!« Gabriela zog ihr Schwert und rammte es vor sich in den Boden. »Ich werde mich von dieser zu klein geratenen Hexe nicht einfach so zurückschicken lassen! Seht ihr denn nicht, dass es kein Zufall ist, dass ausgerechnet wir hierher gekommen sind? Das ist unser Karma. Unser ganzes Leben ist auf diesen Augenblick ausgerichtet! Wie oft haben wir alle in Gedanken die Helden gespielt? Wir haben sogar Schwertkämpfen gelernt. Wir sind wie geschaffen dafür, in die Rollen von Sagenhelden zu schlüpfen. Wer könnte das besser als wir?«
Till sah sich besorgt um. Er hatte geahnt, dass die anderen nicht viel von Mozzabellas Vorschlag halten würden. Nicht nach gestern Nacht! Nicht nachdem sie einmal vom Zauber dieser Welt hatten kosten dürfen. Im Grunde war er derselben Meinung wie Gabriela, doch er hatte der Ältesten versprochen seine Freunde auf die Gefahren von Nebenan hinzuweisen. Deshalb war er mit ihnen, nachdem die Chefin der Heinzelfrauen ihn wieder auf seine ursprüngliche Größe gebracht hatte, aus dem Langhaus gegangen, um draußen an einem stillen Ort mit ihnen zu reden. Sie waren zum Platz vor dem Tempel der großen Mutter gegangen und hatten sorgsam darauf geachtet, dass ihnen niemand folgte.
»Im Rollenspiel sind die Kämpfe mit ein paar Würfelwürfen entschieden«, wandte Till
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