Nebenan: Roman
geschossen hatte, ohne dass es etwas nutzte. Damals hatte Nadine noch gedacht, ihr Schwesterchen hätte was von dem Dope irgendeines kleinen Dealers geraucht, den sie auf Streife ausgenommen hatte. Zuzutrauen war ihr das bei ihrem Lebenswandel! Aber nach dem Vorfall heute Morgen sah sie Marias Geschichte in einem anderen Licht. Es mussten ja keine Trolle gewesen sein … Nadines Verstand sträubte sich einfach dagegen, Fabelwesen als eine real existierende Größe zu akzeptieren. Aber wer wusste schon, was es alles an Hightechwaffen gab. Vielleicht war es ja wirklich möglich, Leute mit einem Schutzfeld zu umgeben, das zugleich auch unsichtbar machte. Eine Art verbesserte kugelsichere Weste der Zukunft …
Die Frage war jetzt, wie sie Mike ihre Überlegungen mitteilen konnte, ohne dass er sie für verrückt hielt. Er war emotional ein wenig unausgeglichen. Deshalb arbeitete sie so gerne mit ihm zusammen. Jeder betrachtete sie als die Zuverlässigere. Sie war immer der Chef, wenn sie beide ein Team bildeten. Mike hatte das mittlerweile akzeptiert. Auf dieser Basis funktionierten sie ganz gut.
»Du sagst, du hättest den Kerl nicht gesehen, aber die Buchstaben, wie sie auf der Autoseite erschienen sind?«, fragte Nadine vorsichtig.
»Das habe ich heute schon ein Dutzend Mal gesagt! Ich weiß, dass sich das bescheuert anhört!«
»Das finde ich nicht. Ich weiß, dass du nicht einfach herumlaberst. Was du sagst, das hast du auch gesehen. Daran gibt es nichts zu rütteln.«
Mike blickte sie an, als stünde eine Fremde vor ihm. »Du glaubst mir?«
»Natürlich! Du bist mein Partner. Wem sollte ich glauben, wenn nicht dir? Außerdem passt es zu dem Zwischenfall im Konferenzraum. Der Pfeil. Wir beide wissen, dass kein Verdächtiger im Raum war, als der Pfeil abgeschossen wurde. Du hast selber hinter den Sitzreihen nachgesehen. Und sofort danach wurde das ganze Gebäude abgeriegelt. Trotzdem ist der Mistkerl entkommen. Ich finde, das passt hervorragend zu deiner Aussage. Wirf mal einen Blick durch die Kamera.« Sie hielt ihm das Gerät hin, das ein wenig wie eine der großen, altmodischen Videokameras aussah. »Schau mal auf die Straße hinunter!«
Mike gehorchte, wie meistens, wenn sie ihm auf die richtige Art etwas sagte. Der stämmige Bodyguard pfiff leise durch die Zähne. »Eine Wärmebildkamera. Teuer! Wo hast du das Ding her?«
»Von ’nem Waffennarren, der jede Menge illegale Artillerie unter seinem Garagenboden in ’ner Reihenhaussiedlung versteckt hat. Er war mir ’nen Gefallen schuldig. Wir können die Kamera so lange ausleihen, wie wir sie brauchen. Wenn dieser Scheißer hier auftaucht und glaubt, er könnte wieder seine Unsichtbarkeitsnummer durchziehen, dann sind wir dem BKA und dem Verfassungsschutz um mindestens eine Nasenlänge voraus. Wir schnappen uns dieses Arschloch und sind wieder rehabilitiert!«
Mike zog seine 48er aus dem Schulterholster und überprüfte, ob eine Kugel im Lauf war. Seine Hände zitterten dabei.
»Was ist los?«
»Nichts!« Er steckte die Waffe zurück, zündete sich eine Zigarette an und nahm einen tiefen Zug. »Wenn ich dir jetzt was sage – ganz ehrlich –, wirst du mich dann auslachen?«
»He, sind wir Partner? Ich glaub dir deine Geschichte.«
Der Leibwächter nickte. »Ja, als Einzige.« Er nahm noch einen Zug und schnippte die Zigarette vom Dach. »Wir jagen einen verdammten Predator! Und Scheiße, ich sag dir, das ist zwei Nummern zu groß für uns. Wir sollten uns verpissen und BKA und Verfassungsschutz mit dem Alien alleine lassen. Hier gibt es diese Nacht noch ein Massaker und ich habe keine Lust auf eine Rolle als Opfer!«
»Einen Predator?«, wiederholte Nadine langsam.
»Du weißt schon, dieses Monster aus dem Film mit Schwarzenegger! Der Kerl macht ganz allein ein Platoon der Special Forces klein. Wir haben keine Chance!«
»Ich glaub nicht an Hollywoodfilme«, bemerkte Nadine lakonisch. »Außerdem, wenn ich mich richtig erinnere, dann war dieses Monster doch unterwegs, um Trophäen zu sammeln. Eine Entführung, das passt da nicht ins Konzept. Beruhigt dich das?«
»Hast du den zweiten Predator-Film gesehen?«
»Wieso?«
»Du verstehst diese Aliens nicht! Es geht nicht um die Trophäe. Sie ist nichts wert, wenn man sie nicht durch eine gute Jagd bekommen hat! Je gefährlicher die Beute, desto besser die Trophäe! Du hängst dir nicht den ausgestopften Kopf einer Hauskatze über den Kamin, wenn du einen Tiger haben kannst. Die Entführung ist der
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