Nebenan: Roman
kleinen Läden gesäumt. Kinder mit Fackeln und einige Eltern gingen in Richtung des Marktplatzes. Manche Passanten waren stehen geblieben und betrachteten die Auslagen in den Schaufenstern. »Siehst du ihn schon wieder?«, raunte die Leibwächterin in ihr Handy.
»Nein. Auf dem Marktplatz sind verdammt viele Leute. Wenn er geradewegs in die Menschenmassen läuft, können wir unsere kleine Verfolgungsjagd vergessen. Wir hätten den anderen Bescheid … Warte mal. Ja! Am Eingang zum Markt ist ein Schmuckladen. Da ist er! Eine einzelne Gestalt! Wenn ich die Kamera vom Auge nehme, kann ich dort niemanden sehen. Der Idiot schaut sich wohl nach ’ner Perlenkette für seine Liebste um!«
Nadine begann zu laufen. Sie konnte den Schmuckladen jetzt sehen. Vom Marktplatz erklang ein vielstimmiges Martinslied. Hunderte Kinder hatten sich dort versammelt. Flüchtig sah die Leibwächterin einen Reiter in Rüstung, der neben einem großen Holzstoß posierte.
»Er steht vor dem rechten Schaufenster«, erklärte Mike. »Jetzt dreht er sich um. Ich glaube, er hat dich gesehen! Er läuft geradewegs auf den Platz zu!«
Nadine sah, wie ein Kind grob zur Seite gestoßen wurde. Wenn der Kerl den Fehler machte, sich mit Gewalt einen Weg durch die Menschenmenge zu bahnen, würde sie ihm auch ohne Mikes Anweisungen folgen können!
»Verdammter Mist!«, tönte es aus dem Handy.
Der Holzstoß war in Flammen aufgegangen.
»Ich seh gar nichts mehr!«, fluchte Mike. »Der ganze Platz wird von der Hitze des Feuers überstrahlt. Ich hab ihn verloren.«
Nadine stand jetzt mitten unter den Kindern. Verzweifelt drehte sie sich um und suchte die Menge nach auffälligen Bewegungen ab. Doch nichts war zu sehen. Sie hatten den Unsichtbaren wieder verloren!
*
»Verdächtige Subjekte auf dem Wallraffplatz«, hauchte die Synchronstimme von Sharon Stone aus dem Autolautsprecher Nöhrgel, der auf der Hutablage eingeschlafen war, geradewegs ins Ohr.
Benommen rappelte sich der Älteste auf und stieß sich den Kopf am Rückfenster. Noch ganz verschlafen bewunderte er den goldenen Lichtbogen, der sich jenseits des Rheins über der Kölnarena spannte. Das Panorama hier oben war einfach hinreißend!
»Habe ein hinreichend scharfes Bild von einem der Subjekte, um einen Personenvergleich durchzuführen«, wisperte die erotische Stimme nun aus dem Autolautsprecher.
Nöhrgel stutzte. Das konnte nicht sein! Der Wahrscheinlichkeitskalkulator hatte erst für morgen Nacht bedeutende Ereignisse vorausgesagt! Nun vollends wach, raffte Nöhrgel sein Nachthemd und rutschte über die Lehne auf die Rückbank hinab. Wahrscheinlich war es nur ein blinder Alarm. Ein paar Betrunkene oder so …
Dort, wo einmal das Armaturenbrett des Autos gewesen war, leuchteten nun sechzehn kleine Bildschirme, die aus allen erdenklichen Blickwinkeln den Dom zeigten, während über drei weitere kleine Flachbildmonitore, die auf der Armlehne der Beifahrertür festgeschraubt waren, in rasender Folge Gesichter dahinglitten.
Nöhrgel strich sich fröstelnd über die Glatze. Anscheinend verbrauchten die Computer, mit denen er den Wagen aufgerüstet hatte, zu viel Energie und die Standheizung hatte sich abgeschaltet. Zwischen zusammengeknüllten Pommestüten und leeren Colabechern fand der Älteste tastend auf dem Boden des Wagens seine Zipfelmütze und zog sie sich über die Ohren, während er gleichzeitig die vier Reihen der Überwachungsmonitore musterte. Auf dem Wallraffplatz parkte ein Mini. Eine langhaarige Frau lehnte sich an den Wagen und redete auf die Gestalt auf dem Beifahrersitz ein. Das Licht einer Laterne spiegelte sich auf der Windschutzscheibe, sodass Fahrer und Beifahrer nur als Schatten zu erkennen waren.
»Richtmikro unter Kamera dreizehn aktivieren«, befahl Nöhrgel knapp.
Leises Surren tönte aus den Lautsprechern, dann war eine Frauenstimme zu hören: »… ist doch Unsinn! Komm, steig wieder aus!«
»Nein, es geht darum, ein Exempel zu statuieren! Wir haben einen ganzen Tag damit vergeudet, diesen Bastard wieder aufzuspüren. Jetzt wird er dafür büßen, dass er uns betrogen hat! Außerdem ist die Sache ein Experiment!«
»Was für ein verdammtes Experiment? Wovon redest du da?«, fluchte die Frau.
»Du wirst sehen. Roger! Fahr auf den Domplatz!«
»Ja, mein Herr«, antwortete eine gleichgültige Stimme. Der Minicooper setzte sich in Bewegung.
»Kamera dreizehn, schwenk um dreißig Grad und folge dem Wagen. Zoom rauffahren!«, befahl Nöhrgel neugierig.
Das
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