Nebenan: Roman
hören. Ist voll abgefahren! Ich hab übrigens auch ein Instrument dabei.« Er zog die in eine lederne Schutzhülle eingeschlagene Laute unter seinem Umhang hervor.
Oswald strahlte. »Du bist ein fahrender Sänger! Klasse. Lass uns ’ne Session machen. Ich hab drinnen noch ein paar Pfeifchen und genügend Met, um ein Pferd drin zu ersäufen. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie oft ich von einem solchen Augenblick geträumt habe! Eine Session mit ein paar Typen, die den Beat im Blut haben. Mit den verknöcherten Säcken, die man hier so trifft, kann man einfach keine vernünftige Musik machen. Spürt ihr auch die good vibrations ? Heh, das wird ’ne tolle Nacht werden.« Er bedachte Gabriela mit einem kurzen Seitenblick. »Kennt ihr beiden eigentlich das Lied Like a sex machine ?«
Martin hatte von dieser recht unverhohlenen Spitze offensichtlich nichts mitbekommen und trat mit Oswald in die Klause, während Till versuchte die Tänzerin wieder zu beruhigen. Doch Gabriela war überzeugt, dass es sich bei Oswald im günstigsten Fall um einen ungewaschenen Späthippie handelte, der bei irgendeinem LSD-Trip sein Hirn ins Nirwana geschickt hatte. Eine Theorie, der auch Wallerich entschieden zustimmte.
Als letzten Beleg für ihre These führte Gabriela das Schlachtross an, das vor der Klause stand. »Hast du das Brandzeichen gesehen? Riskier mal ’nen Blick! Niemand, der noch ganz dicht ist, markiert sein Pferd K-OM 23!«
18
Der Tiergeruch war überwältigend! Fröstelnd erwachte Doktor Salvatorius und versuchte sich an seinen Traum zu klammern. Er sollte die Heizung höher stellen! Es war unangenehm kalt und es fühlte sich so an, als ob … Von einer Sekunde zur anderen war Salvatorius hellwach. Etwas Warmes, Pelziges, Atmendes lag in seinem Rücken! Zwei große, blaue Augen starrten ihm ins Gesicht. Ein weißer Pudel kauerte vor ihm und blickte ihn unverwandt an.
Hinter Salvatorius regte sich etwas. Der Arzt sah gehetzt über die Schulter. Zwei Huskys lagen dort. Sie hatten sich wohl an ihn geschmiegt, um ihn im Schlaf zu wärmen. Beide glichen eher Wölfen als Hunden.
Der Zahnarzt schloss die Lider, konzentrierte sich auf seinen Atem und versuchte sich zu sammeln. Das konnte nur ein Albtraum sein! Er würde jetzt aufwachen und in seinem Bett liegen und alles war gut!
Als er die Augen wieder öffnete, hockte noch immer ein weißer Pudel vor ihm! Er wiederholte die Prozedur noch ein paar Mal, zwackte sich mehrfach in den Arm, doch der Hund wollte einfach nicht verschwinden. Salvatorius sah an sich hinab. Er war nackt! Das musste ein Traum sein! So etwas geschah nicht in Wirklichkeit! Er konnte sich auch nicht erinnern, wie er hierher gekommen war … In einen Hundezwinger!
In seinem Rücken rührten sich die Wolfshunde. Ob sie schon gefrühstückt hatten? »Ruhig, meine Hübschen«, flüsterte er beschwörend. »Ganz ruhig.«
Der Pudel mit den blauen Augen kam näher und schob ihm den Kopf unter die rechte Hand. Das Fell des Tieres war angenehm warm. Für einen Augenblick konnte sich der Arzt an etwas erinnern. Er lief durch einen Wald. Dunkle Bäume überall. Vor ihm bewegte sich etwas. Es floh vor ihm! Aber die Bäume … Etwas stimmte mit seinem Blickwinkel nicht. Er war zu dicht über dem Boden … So als würde er im Laub sitzen statt zu stehen.
Salvatorius verdrängte den Erinnerungsfetzen. Was ging in den letzten Tagen nur mit ihm vor? Begann er wahnsinnig zu werden? Was hatte ihn so sehr verändert, dass er morgens in einem Hundezwinger erwachte und sich nicht mehr erinnern konnte, wie er hierher gelangt war?
Er sah sich erneut um, suchte nach Indizien, die ihm verraten würden, wo genau er steckte. Es mochte vielleicht eine Stunde vor Morgengrauen sein. Der Mond war längst untergegangen und breite Wolkenbänder verbargen die Sterne. Ein Stück entfernt flackerte über einer grün gestrichenen Tür eine defekte Neonröhre und zerriss in langsamen Intervallen die Dunkelheit. Die Tür lag am Ende eines schmalen Ganges, der auf beiden Seiten von Zwingern aus zähem Maschendrahtgeflecht gesäumt wurde. Dutzende Hunde waren hier gefangen, doch nicht einer gab einen Laut von sich. Sie alle starrten in gespannter Erwartung zu ihm hinüber.
Jetzt bekam Salvatorius auch Witterung von Tieren, die er nicht sehen konnte. Vögel, Katzen, Hamster, Reptilien. Es mussten hunderte sein. Alle auf engstem Raum zusammengepfercht. Und keines der Tiere gab einen Laut von sich. Er war in einem Tierheim. Aber wer zum
Weitere Kostenlose Bücher