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Nebenan: Roman

Nebenan: Roman

Titel: Nebenan: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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Teufel sperrte einen nackten Zahnarzt zusammen mit zwei Huskys und einem weißen Pudel in einen Käfig? Und dass man ihn ausgerechnet zu den Hunden gesperrt hatte! Er hatte Hunde noch nie gemocht!
    Langsam richtete sich Salvatorius auf und redete dabei beruhigend auf die Huskys und den Pudel ein. Ob er um Hilfe rufen sollte? Nein! Wer immer ihn auch in diesen Zwinger gesperrt hatte, würde wohl kaum angelaufen kommen, um ihn wieder herauszulassen, nur weil er sich beschwerte.
    Die Zwingertür war mit zwei eisernen Riegeln gesichert. Mit etwas Mühe gelang es ihm, eine Hand durch den Maschendraht zu zwängen und den oberen Riegel zu öffnen. Noch immer starrten ihn die Hunde an. Ängstlich auf jede Bewegung der Huskys achtend kniete sich der Zahnarzt nieder und öffnete den zweiten Riegel. Ihm war lausig kalt. Seine Hände zitterten. Endlich schwang die Tür des Zwingers auf. Salvatorius trat auf den schmalen Gang zwischen den Käfigen. Neben dem Ausgang hing ein schmuddeliger, blauweißer Putzkittel an einem Nagel. Widerwillig streifte sich der Arzt das Kleidungsstück über. Es roch penetrant nach Tierexkrementen, doch nackt konnte er sich nicht hinaus auf die Straße wagen. Im Geiste sah er schon die Zeitungsschlagzeilen vor sich, die es geben würde, wenn man ihn erwischte: EXHIBITIONISTISCHER PROMINENTENZAHNARZT AUFGEGRIFFEN . Oder: DAS SEXMONSTER VON KÖLN .
    Nein, er durfte auf keinen Fall erwischt werden! Wenn das geschah, könnte er anschließend seine Praxis dichtmachen. Vorsichtig drückte er die Klinke der grünen Tür hinunter. Sie war abgeschlossen! Am anderen Ende des Ganges standen Kisten und Mülltonnen vor einer hohen Mauer, von der in breiten Streifen der Putz abbröckelte. Das war der einzige Ausweg!
    Der weiße Pudel und die beiden Huskys waren ihm inzwischen aus dem Zwinger gefolgt. Ruhig beobachteten sie, wie er Kisten und Mülltonnen übereinander stapelte, um über die Mauer zu entkommen. Auch aus den anderen Käfigen drang kein Laut.
    Als Salvatorius sich auf den Mauerkamm vorgearbeitet hatte, sprang unter ihm der Pudel auf die Mülltonnen. Offenbar waren seine drei Zwingergefährten entschlossen ihm zu folgen. Fast, als hätten sie ihn zum Leittier erkoren. Lächerlich! Ihn, der Hunde noch nie hatte leiden können.
    Salvatorius sprang von der Mauer. Vor ihm lag ein Waldstück. Am Boden kauernd sah er sich um. Jenseits der Mauer erklang jetzt leises Winseln. Eine dünne Hundestimme heulte auf. Beklommen sah er zurück. Er konnte sie doch nicht einfach so zurücklassen. Mit Tierheimen kannte er sich nicht wirklich aus. Er erinnerte sich aber einmal gehört zu haben, dass Tiere, die innerhalb einer gewissen Frist keine neuen Besitzer fanden, eingeschläfert werden mussten, damit es in den Zwingern Platz für die Neuankömmlinge gab. Die Hunde hinter der Mauer hatten ihm vertraut. Und nun lief er einfach so fort.
    »Schwachsinn!« Wie kam er dazu, sich für hundert herrenlose Kläffer verantwortlich zu fühlen? Wie sollte er unbemerkt nach Hause kommen, wenn ein ganzes Rudel Promenadenmischungen hinter ihm herlief? Schon jetzt, barfuß, nur in einen Putzfrauenkittel gekleidet und unrasiert, konnte er nicht einfach die nächste Straßenbahn nehmen und darauf hoffen, nicht aufzufallen.
    Federnd landete der Pudel neben ihm im nassen Laub. Er ließ sich auf den Hinterbeinen nieder und sah ihn wieder an. Nie zuvor war dem Arzt bewusst gewesen, dass die Augen eines Tiers so ausdrucksvoll sein konnten. Von jenseits der Mauer erklang wieder leises Winseln.
    Auch die beiden Huskys sprangen nun von der Mauer und gesellten sich zu ihm. Salvatorius sah zum Himmel hinauf. Bald würde es hell werden. Wenn er jetzt ging, hatte er vielleicht noch eine Chance, ungeschoren bis zu seiner Villa zu kommen. Mit jeder Minute, die verstrich, wurden die Bahnen in der Stadt voller. Mehr Menschen waren auf den Straßen. Man würde auf ihn aufmerksam werden. Er konnte es sich nicht leisten, noch länger zu zögern!
    Eine kalte Schnauze stieß gegen sein Bein. Er sah in himmelblaue Augen, und ohne dass er zu sagen gewusst hätte, warum, war ihm plötzlich klar: Der Pudel war eine Hündin. Sie erwartete etwas von ihm …
    Wieder erklang das Winseln jenseits der Mauer. Er konnte nicht gehen! Er war das Alphatier. Der Leitwolf! Sein Rudel brauchte ihn. Zahnärzte gab es viele. Zugegeben, nur die wenigsten von ihnen leckten ihre Instrumente persönlich sauber … aber hier wurde er wirklich gebraucht. Seine Entscheidung stand

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