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Nebenan: Roman

Nebenan: Roman

Titel: Nebenan: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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beim Eingang standen zwei Riesen, die sich angeregt mit einem Minotauren unterhalten hatten. Mehrere Geister schwebten zur Höhlendecke, um besser sehen zu können. Etwas abseits bemerkte der Student eine Gruppe von Alben, die mit finstren Mienen zu ihnen hinüberstarrten. Ein Silen, der mit einem Trupp abgerissener Räuber gezecht hatte, hob den Ui Talchiu grüßend sein Trinkhorn entgegen. Am unheimlichsten jedoch war jener große Drache, der in einer Nische an der gegenüberliegenden Höhlenwand lag. Mit seinen flaschengrünen Schuppen war er im Zwielicht der flackernden Fackeln kaum zu erkennen. Seine Augen jedoch traten deutlich aus der Dunkelheit hervor. Wie halb verloschene Kohlen glommen sie in tiefem Rot.
    »Ich habe die Ehre, euch einige der berühmtesten Raufbolde Irlands vorzustellen«, verkündete Oswald und deutete mit großer Geste auf die Ui Talchiu. »Gleich neben mir stehen Cuchulain und sein Wagenlenker Loeg. Der mit dem verzagten Gesicht ist der Blut saufende Fergus Mac Roy. Die entzückende Dame im schwarzen Umhang ist Scathach, die den berüchtigten gae bolga führt, und zu guter Letzt hätten wir da noch Oisin, einen Barden und Krieger, der, wenn er zu viel getrunken hat, nur noch melancholische Liebeslieder von sich gibt. Also haltet ihn vom Methorn fern oder er wird uns allen die Stimmung verderben.«
    »Willkommen in meiner Festhalle«, sprach der Drache mit überraschend leiser Stimme. »Es freut mich, zu sehen, wie weit die Kunde gedrungen ist, dass wir uns hier versammeln, um endgültig das Joch der Zwergentyrannei abzuwerfen. Malko! Bring unseren Gästen den Willkommenstrunk!«
    Zwischen den Sitzbänken, die die weite Höhle füllten, tauchte eine kleine Gestalt auf, die schnaufend ein goldgebändertes Methorn trug, das fast so groß war wie sie selbst. Till mochte seinen Augen kaum trauen. Der kleine Kerl ähnelte eindeutig Wallerich und Birgel. Ein Heinzelmann hier mitten unter den Verschwörern!
    »Seine Herrlichkeit Flammerich III. heißt euch willkommen, edle Herren und werte Dame.« Schnaufend stemmte der Heinzelmann das Methorn über seinen Kopf, damit Cuchulain alias Rolf bequemer danach greifen konnte.
    Der blonde Ui Talchiu hob das Horn grüßend in Richtung des Drachen. »Auf unseren edlen Gastgeber und den Untergang der Zwergenvölker!«
    Flammerich zog die Lefzen zurück, was wohl ein Lächeln darstellen sollte, aber in Anbetracht der dolchlangen, gelblichen Zähne, die er so freilegte, eher beunruhigend wirkte. »Wohl gesprochen, Cuchulain von Irland! Wir schließen uns eurem Trinkspruch an. Auf mich und den Untergang der Zwergenvölker!«
    Alle übrigen Gäste hoben nun auch ihre Trinkgefäße und stimmten ein Gegröle an, das vermutlich noch bis zur Heinzelmännchensiedlung am Rhein zu hören war.
    Nachdem er einen tüchtigen Schluck genommen hatte, reichte Rolf das Trinkhorn an Till weiter. Als dieser das prächtige Trinkgefäß an die Lippen setzen wollte, stutzte er. Etwas Längliches, Haariges schwamm in der goldgelben Flüssigkeit. Mit spitzen Fingern zog er es heraus und starrte erschrocken in Rolf Gesicht. Es war eine Hälfte des falschen Barts, den der Krieger trug. Till versuchte Rolf unauffällig ein Zeichen zu geben, doch sein Freund schaute wie gebannt in die weite Halle und musterte die illustre Gesellschaft, die sich hier versammelt hatte.
    »Rolf«, flüsterte er verzweifelt.
    Statt seines Kameraden bemerkte ihn der Heinzelmann. Der kleine Kerl sah auf und seine Augen verengten sich zu Schlitzen. Dann schrie er los. »Eure Herrlichkeit!«
    Der Drache hob den Kopf.
    »Eure Herrlichkeit, ich glaube, unsere Gäste sind nicht das, was sie vorgeben zu sein!« Der kleine Kerl stieß ein gehässiges Lachen aus.
    In der großen Halle war es schlagartig totenstill geworden. Wieder starrten alle zu den Ui Talchiu, die noch immer im Eingang zur Höhle standen.
    »Wie meinst du das, Malko?«, fragte der Drache und in seinen Nüstern glühten blutrote Lichter auf.
    »Der Schnauzbart des großen Helden ist so falsch, dass man sich fragt, wie echt der Rest wohl sein mag«, verkündete der Heinzelmann.
    »Scheiße«, murmelte Oswald, packte Till am Arm und machte einen Schritt zurück. »Ich hoffe, ihr könnt gut laufen.«
    »Ich bin ertappt«, rief Rolf mit bebender Stimme. Dann nahm er Till das Methorn aus der Hand und griff auch nach dem nassen Bartzipfel. Einige der Gäste in der Höhle erhoben sich und tasteten nach den Dolchen und Schwertern an ihren

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