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Nebenan: Roman

Nebenan: Roman

Titel: Nebenan: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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Heinzelmänner. Der Geruch war unverkennbar. Eine Mischung aus Bartwichse, Mottenkugeln und Motoröl. Dazu ein Hauch abgestandenem Schweiß und verschiedenen Essensgerüchen, dominiert von Bratfett. Der Duft von jemandem, der gerne am Herd stand. Baldurs Muskeln waren jetzt zum Zerreißen gespannt. Er würde nicht warten. Wenn ich nur schnell genug bin, dachte er. Vielleicht bin ich bei ihnen, bevor sie den Abzug ihrer Armbrust auslösen können.
    Der Werwolf sprang auf. Seine großen Pfoten wirbelten den Schnee auf. Er lief, wie er noch nie zuvor in seinem Leben gelaufen war. Der Wind blies nun stärker. Nicht eine Spur von Angstschweiß war zu riechen. Verfluchte Heinzelmänner! Sie ließen ihn einfach herankommen.
    Der Schatten unter dem Baum kauerte auf dem Boden und grub nach etwas.
    »Wallerich?« Der Kerl drehte sich immer noch nicht um. »Ich glaube, ich habe das Nussversteck von einem Eichhörnchen gefunden, wir …«
    Mit einem Satz war Baldur über dem Heinzelmann. Der kleine Wicht stieß einen Schreckensschrei aus und versuchte sich in den Schnee einzugraben. Dieser Geruch … Baldur drehte den Heinzelmann herum. Es war derselbe Kerl, der den Koffer mit der Kette getragen hatte. Ein dumpfes Grollen stieg aus Baldurs Kehle. Geifer tropfte ihm von den Lefzen. Das war ein Geschenk der alten Götter.
    Der Heinzelmann blinzelte. Schnee verklebte sein Gesicht. Als er die Augen aufschlug, weiteten sie sich vor Entsetzen. »Du!« Die Augen rollten nach oben, sodass nur noch das Weiße zu sehen war. Der kleine Kopf sank zurück in den Schnee.
    Einen Moment lang fürchtete Baldur, der Heinzelmann sei vor Schreck gestorben. Vorsichtig setzte er seine linke Vorderpfote auf die Brust seines reglosen Opfers. Deutlich konnte er das Herz schlagen fühlen.
    Der Werwolf fühlte sich betrogen. Es machte keinen Spaß, etwas Bewusstloses zu essen. Sollte er hier sitzen bleiben und warten, bis der Kleine wieder zu sich kam? Oder sich zuerst den anderen Heinzelmann vorknöpfen? Baldur blickte auf die tiefe Spur im Schnee, die an der Baumreihe entlangführte. Vielleicht war der andere weniger schreckhaft?
    Baldur stutzte. Heinzelmänner, so weit fort von der Stadt, in der ihre Frauen regierten … Das war ungewöhnlich! Was mochten sie hier suchen?
    Dem Werwolf schmerzte der Kopf. Nachdenken bekam ihm meistens nicht gut. Wäre jetzt nur Cagliostro hier! Der wüsste sicher, was zu tun war. Sollte er die Dunklen holen? Sein Magen knurrte. Sie würden sicher nur reden und reden. Baldur blickte auf die tiefe Spur im Schnee. Vielleicht würde der andere ja nicht sofort in Ohnmacht fallen. Geifer sammelte sich in seinem Maul. Er streckte sich, entspannte seine Muskeln, dann folgte er in leichtem Trott der Spur im Schnee.
    *
    Pater Anselmus massierte sich mit den Händen die Schläfen. Er hatte nur zwei Stunden Schlaf bekommen in der letzten Nacht. Den ganzen Morgen hatte er sich dann mit Journalisten herumschlagen müssen, die ihm Löcher in den Bauch fragten. Dabei hatte auch er keine Antworten. Das Verbrechen, das man letzte Nacht im Dom begangen hatte, war beispiellos! Es war auch völlig unklar, wie die Verbrecher in einem Panzerwagen hatten entkommen können. Und dann die seltsamen Dinge, die auf den Bändern der Überwachungskameras zu sehen waren. Die Blitze und die Flammen vor dem Dom. Natürlich hatte die Öffentlichkeit davon bisher nichts erfahren und so würde es auch bleiben!
    »Hochwürden, geht es Ihnen nicht gut?«
    Anselmus blickte auf. Der dicke Polizist, der die Frage an ihn gerichtet hatte, drehte nervös seine Mütze zwischen den Händen. Seine Partnerin kaute auf einem Kaugummi.
    Anselmus setzte sich in seinem Lederstuhl auf. »Entschuldigen Sie, die letzte Nacht …« Er breitete verlegen die Hände aus. »Sie wissen ja, was geschehen ist.«
    Der Polizist nickte ernst.
    »Ihr Gemeindepfarrer, Pastor Schröder, hat mir von Ihnen erzählt, Herr Hauptwachtmeister Kowalski. Er sagt, dass Sie ein guter Christ sind.«
    Der korpulente Gesetzeshüter lächelte verlegen. »Wenn Hochwürden meinen.«
    »Und Sie sind Pole, nicht wahr?«
    Kowalski wirkte verblüfft. »Wie kommen Sie darauf? Selbstverständlich habe ich einen gültigen deutschen Pass!«
    »Und Ihr Name?«
    »Mein Urgroßvater … Er ist als Bergmann ins Ruhrgebiet gekommen. Ich kann nicht einmal Polnisch!«
    Anselmus seufzte. Genau das hatte er befürchtet. »Und Ihre Kollegin, Fräulein Kuhn? Sie ist doch eine geborene Schimanski, wenn ich mich nicht

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