Nebenan: Roman
sich die aufgeschürften Knöchel und murmelte: »Das war für die zerzauste Räbin, du eingebildete Schlampe!«
Die Alben zogen ihre Schwerter und Rübezahl, der vor Wut purpurrot angelaufen war, griff nach seiner riesigen Keule.
Rolf, Martin und Almat blockierten den Eingang zu dem breiten Tunnel, der ins Freie führte. »Lauft zu den Pferden und seht zu, dass ihr wegkommt!«, schrie Almat, um die Schlachtrufe und das Waffengeklirr der Dunklen zu übertönen.
»Das geht auch anders!«, entgegnete Gabriela kaltblütig. Sie trat vor die improvisierte Schlachtlinie der Ui Talchiu und hob den gae bolga hoch über ihren Kopf. Ein unheimliches Leuchten umgab den Speer. »Wir sind vielleicht nicht das, was wir zu sein schienen«, rief sie mit lauter Stimme, »doch der gae bolga ist echt!« Sie setzte die Speerspitze auf den Boden und ritzte eine Linie in den Fels, die sich quer über den Gang zog. Dabei murmelte sie einige unverständliche Worte.
Der wilde Ansturm der Dunklen war ins Stocken geraten. Sogar Rübezahl wirkte zögerlich. Eine düstere Aura umgab die schlanke Gestalt in ihrem Rabenfederumhang und sie erinnerte Till mehr denn je an die Geschichten, die man über die Morrigan erzählte.
Ein schlecht gezielter Pfeil prallte neben Gabriela gegen die Tunnelwand und fiel zu Boden. Sie riss den Speer hoch und ihre Augen schienen wie dunkle Abgründe. »Der Erste, der diese Linie überschreitet, um uns zu folgen, wird sterben!«, verkündete sie mit düsterer Stimme. Dann wandte sie sich zu ihren Gefährten um. »Lauft!«
Ohne auf Widerstand zu treffen erreichten sie den Hof. Dort verlangsamten sie ihre Schritte, um nicht den Verdacht der Wächter zu erwecken.
»Wer holt Wallerich und Birgel?«, fragte Till, als sie den Stall erreichten. Er bekam keine Antwort. Rolf und Almat gingen sofort daran, Sainglu und Macha anzuschirren, während die anderen ihre Pferde sattelten.
»Was ist mit den beiden Heinzelmännern?«, wiederholte Till seine Frage.
Oswald antwortete anstelle der anderen. »Wir haben keine Zeit! Weiß der Himmel, wo sie die beiden hingebracht haben! Jeden Augenblick können die Dunklen herausfinden, dass der Fluch nur ein Bluff ist. Es tut mir auch Leid um sie. Warum haben sich diese Trottel auch erwischen lassen!«
Die übrigen Ui Talchiu vermieden es, Tills Blicken zu begegnen. »So viel sind unsere Ideale also wert. Erinnert ihr euch noch an unseren Schwur vor dem Tempel? Einer für alle und alle für einen?«
»Sie gehören nicht zu uns!«, murrte Almat halblaut. »Schließlich haben sie sich auch davor gedrückt, in das Versteck der Dunklen zu spazieren so wie wir. Warum sollten wir jetzt für sie unseren Kopf riskieren?«
»Man hat sie so wie uns gegen ihren Willen hierher geschickt. Und was die Sache mit dem Drachenfels angeht … Als was hätten sie sich denn verkleiden sollen, um hier unauffällig hereinzukommen? Ganz gleich, was ihr tut, ich werde sie jetzt suchen!« Enttäuscht ging er aus dem Stall hinaus. Wie oft waren sie im Rollenspiel schon in ähnlichen Situationen gewesen! Und jetzt, wo es darauf ankam, seine Ideale zu verteidigen und einmal wirklich ein Held zu sein, jetzt kniffen sie. Hilflos blickte er sich auf dem weiten Hof um. Es gab zwei Gebäude, die vielleicht als Kerker dienen mochten. Aber was sollte er tun, wenn die Heinzelmänner irgendwo jenseits der Festhalle im Berg gefangen gehalten wurden? Er konnte sich unmöglich allein durch die Heerscharen der Dunklen kämpfen! Hatten die anderen Recht, wenn sie einfach nur abhauen wollten? Irgendwie konnte Till sich nicht vorstellen, dass er hier Nebenan sterben würde. Vielleicht ein tödlicher Irrtum?
»He, Erik«, erklang Oswalds dunkle Stimme. »Wo stecken die beiden Halben?«
Der Untote tauchte aus dem Schatten des windschiefen Wachturms auf. »Was willst du von ihnen?«
»Wir sollen sie zur Colonia bringen!« Er lachte rau. »Seine Herrlichkeit wünscht, dass wir die Köpfe zuerst abgeben.«
Jetzt lachte auch Erik. Es war ein unangenehmer, trockener Laut, als ob Kreide über eine Tafel kratzte. »Du findest die Mistkerle in einer kleineren Höhle. Der Eingang liegt dort hinten, hinter dem welken Gebüsch.«
»Danke!«
»Du hast die Sache mit den beheizten Kutschen doch nicht vergessen?«, fragte Erik misstrauisch.
»Abgesehen davon, dass ich mich gelegentlich als Raubritter durchschlagen musste, war ich stets ein Ehrenmann. Du willst doch wohl nicht mein Wort in Zweifel ziehen?«
Der Untote schüttelte
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