Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nebenan: Roman

Nebenan: Roman

Titel: Nebenan: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
Vom Netzwerk:
erreicht und vor ihnen lag das schmucklose Portal, durch das sie nach Hause gelangen würden. Mozzabella schnippte lässig mit den Fingern und die mächtigen Torflügel schwangen auf. Doch statt einem Gang, der in die Finsternis führte, lag hinter dem Tor eine glatte Felswand.
    Wallerich eilte an der Ältesten vorbei und tastete ungläubig über den Stein. Das konnte nicht sein! Manchmal gab es Störungen, wenn man von einer Welt in die andere wechseln wollte, doch dass ein Tor einfach so verschwand, davon hatte er noch nie gehört.
    Mozzabella zeichnete mit ausgestreckten Händen ein unsichtbares Muster in die Luft und starrte minutenlang auf den Fels. Abgesehen vom gelegentlichen Meckern der Ziegen, die diese Katastrophe augenscheinlich kalt ließ, herrschte beklemmende Stille in der Höhle. Schließlich rieb sich die Älteste nachdenklich die Nase. »Ein Fluch. Aber es muss noch mehr geschehen sein.« Wieder bedachte sie Wallerich mit einem finsteren Blick. »Der technische Firlefanz, mit dem ihr an den Toren herumexperimentiert habt … Da muss irgendetwas kaputt sein. Ein Fluch allein könnte niemals ein so altes Tor verschwinden lassen.«
    »Ausgeschlossen!«, entgegnete Wallerich energisch. »Alle Vorrichtungen sind dreifach gesichert. Nicht einmal ein Erdbeben könnte das Tor gefährden. Wir haben an alles gedacht!«
    »Das sieht man!«, zischte die Älteste. »Ich hätte nicht übel Lust, euch beide Taugenichtse an die Dunklen auszuliefern.«
    »Gibt es denn keinen anderen Weg nach drüben?«, fragte Till. »Ich meine, das kann doch nicht das einzige Tor sein.«
    Mozzabella schüttelte den Kopf. »Ihr müsstet mehrere Tage reisen. In Anbetracht der Tatsache, dass ihr ganze Heerscharen von Verfolgern auf den Fersen habt, halte ich das für keine gute Idee. Ihr sitzt hier fest. Es sei denn …« Sie sah ihn nachdenklich an. »Bist du dir Neriellas Liebe wirklich sicher?«
    *
    Feines Wurzelgeflecht streifte Tills Gesicht und verfing sich in seinen Haaren. Dieser verdammte Fluchttunnel mochte für Heinzelmänner bequem zu passieren sein, aber für Menschen war er eine Tortur. Seit mehr als einer Stunde krochen sie nun schon durch den gewundenen Gang, der laut Mozzabellas Worten in einem kleinen Wald weit vor den Toren Colonias enden sollte.
    Sie hatten die Pferde und alle schwere Ausrüstung in der kleinen Stadt zurückgelassen. Sollte der Plan der Ältesten fehlschlagen, waren sie geliefert. Ohne Vorräte und warme Decken würden sie es niemals bis hinauf in die Schneeeifel schaffen, wo sich das nächste Tor befand.
    »Frauen!«, brummte Wallerich, der ein kleines Stück vorausging und eine Blendlaterne hochhielt. »Sie hätte das melden müssen … Und dann dieser Tunnel. Ohne Verschalung und Stützbalken. Würde mich nicht wundern, wenn uns der ganze Mist hier jeden Moment auf den Kopf fällt.«
    »Könntest du freundlicherweise den Mund halten?« Almats Stimme klang zittrig. Der Ui Talchiu kroch unmittelbar hinter Till. Er litt unter Klaustrophobie und es war nur einem Zauber Mozzabellas zu verdanken, dass er überhaupt in diesen Tunnel gekrochen war.
    Wallerich pfiff leise durch die Zähne. »Was haben wir denn hier?«
    Der Gang hatte sich ein wenig erweitert. Hinter einem Wurzelgeflecht konnte Till eine runde hölzerne Tür entdecken. Rechts und links daneben standen zwei eisenbeschlagene Kisten. Der Heinzelmann beugte sich bereits über eine von ihnen und hatte den schweren Deckel hochgeklappt. Neugierig kroch Till näher.
    »Frauen!«, schnarrte der Heinzelmann erneut. »Kein Heinzel mann würde auf so eine Idee kommen!«
    Jetzt sah auch der Student, was ihren Führer so in Rage gebracht hatte. In der Kiste befand sich ein reichhaltiges Sortiment von Kleider- und Schuhbürsten.
    »Macht endlich die verdammte Tür auf und lasst mich hier raus«, fluchte Almat und versuchte sich an Till vorbeizudrängeln. »Nie wieder setze ich einen Fuß in einen Heinzelmännchenfluchttunnel.«
    Wallerich stieß die Tür auf und Augenblicke später war Till im Freien. Der Ausgang des Tunnels wurde durch ein Brombeerdickicht verborgen. Es war dunkel geworden und dichter Nebel verhüllte den Blick zum Sternenhimmel.
    »Weiß jemand, wo wir sind?«, fragte Oswald. Er hatte sich eine der winzigen Kleiderbürsten mitgenommen und säuberte gerade seine bestickte Leinenhose.
    »Ich kann kaum meine Nasenspitze sehen«, beschwerte sich Birgel und schnupperte demonstrativ. »Wir sind an einem Ort, wo es im Umkreis von mindestens

Weitere Kostenlose Bücher