Nebenan: Roman
doch nicht vormachen, dass mit ein paar Wochen Italienurlaub die Sache aus der Welt war.
Schweigend fuhren sie weiter nach Süden. Er hatte zehn Tonnen Tomatenmark als Frachtgut geladen. Hinter den Paletten war das Reliquiar versteckt. Der Trucker war überzeugt davon, dass sich alles schon wieder richten würde. Er hatte ein paar Knochensplitter aus der Kiste genommen und in die leere Patronenhülse gesteckt, die als Talisman an seinem Schlüsselbund hing. Die drei Heiligen wussten gewiss, dass sie beide ihre ollen Knochen vor einem außerirdischen Heiden gerettet hatten. Joe war nicht gerade zart besaitet, aber wenn er daran dachte, wie dieser Vulkanier und seine beiden Komplizen die Knochenkiste durchgewühlt hatten, dann lief es ihm doch eiskalt den Rücken hinunter. So was konnte man doch nicht machen!
»Und wovon sollen wir in Italien leben?«, fragte Gabi nach einer Weile.
»Ich würde fahren … und wir haben ja auch ein bisschen Kapital.«
»Also mit meinem Ersparten kommen wir nicht weit.«
»Ich dachte da mehr an das ganze Gold und all die Klunker auf dem Reliquiar. Ich kenne da bei Mailand jemanden, der würde uns einen guten Preis …«
»Auf keinen Fall! Wenn du vorhast, den Sarg der Heiligen Drei Könige zu zerstören, steige ich auf der Stelle aus.« Gabi tastete nach dem Türgriff.
Der Trucker kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie auch bei Tempo hundert aussteigen würde, wenn sie richtig sauer war. Entschlossen stieg er in die Bremsen und bekam ein Hupkonzert von den PKWs hinter sich zu hören.
»Ich fürchte, wir werden nicht von Luft und Liebe alleine leben können.«
»Das brauchen wir auch nicht. Die Drei Könige werden uns beschützen. Weißt du, ich habe da eine Idee. Vor ein paar hundert Jahren hat ein Kölner Erzbischof die Knochen der Heiligen aus Mailand geklaut und dabei die halbe Stadt abgebrannt. Was hältst du davon, wenn wir dem Erzbischof der Stadt das Reliquiar übergeben. Dann hat die Kirche unser Problem. Wir haben kein Diebesgut mehr am Hals … und hast du mal Der Pate , Teil drei, gesehen? Also, wenn das nur ein bisschen stimmt, dann verstehen sich die italienische Kirche und die Mafia sehr gut. Die werden uns schon beschützen und auch dafür sorgen, dass wir nicht Hunger leiden. Wie findest du meinen Plan?«
Joe pfiff anerkennend durch die Zähne. »Ich finde, als Friseuse vergeudest du deine eigentlichen Talente. Wir sind dabei, nicht wahr, Blau?«
»Wuff!«
*
Anselmus hatte in den letzten Tagen mehr Baldriantropfen in sich hineingekippt als in seinem ganzen vorherigen Leben zusammen und trotzdem kam er nicht mehr zur Ruhe, seit er mit diesem verdammten Inquisitor zusammen war.
Nach der Pleite mit dem Panzerwagen, in dem sich kein Hinweis auf den weiteren Verbleib des Dreikönigsreliquiars gefunden hatte, hatte Pater Wschodnilas zusätzliche Verstärkung durch eine weitere schießwütige Amazone und einen hünenhaften Leibwächter bekommen. Danach waren sie zu dem merkwürdigen Raum tief unter der Universität zurückgekehrt. Hier hatten sie vier ernste junge Männer erwartet. Offenbar Studenten. Allem Anschein nach hielten sich noch etliche andere Wesen in dem großen Raum auf, denn ständig waren Stimmen zu hören, selbst wenn alle sichtbaren Personen schwiegen.
Anselmus nestelte am Hals der Baldrianflasche. Der Plastikeinsatz, der als Tropfenspender diente, nervte ihn. Ein paar Tropfen Baldrian halfen hier nicht mehr weiter. Er brauchte eine stärkere Dosis.
Etwas zupfte an seinem Hosenbein. »Kann ich Ihnen helfen, Hochwürden?«
»Nein. Danke.« Die Stimme des Priesters klang gehetzt, dabei hatte er sich immer so viel darauf eingebildet, in allen Lebenslagen die Ruhe zu bewahren. Und jetzt hörte er Stimmen! Entweder wurde er wahnsinnig oder er war auf dem Weg, ein Heiliger oder ein Prophet zu werden. Die hörten schließlich auch immer Stimmen.
Mit einem satten Plopp löste sich der Plastiktropfenspender und Anselmus trank die Baldrianflasche auf ex. Ein angenehm bitterer Geschmack betäubte seinen Mund. Ein wenig nervös sah er sich um. Kleine Flaschen, die man aus dem Jackett zog und in einem Zug leerte, das konnten Beobachter leicht falsch verstehen. Doch niemand schenkte ihm Aufmerksamkeit.
Alle starrten wie gebannt auf das Funkgerät, das in der Mitte des Raums auf einem kleinen Tisch stand. Krächzende Geräusche und das Knistern atmosphärischer Störungen klangen aus dem Lautsprecher. Pater Wschodnilas hatte behauptet, die
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