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Nebenan: Roman

Nebenan: Roman

Titel: Nebenan: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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Polizei! 110! Wenn er …
    »Lassen Sie die Gendarmen aus dem Spiel. Was wollen Sie ihnen sagen? Unsichtbare Stimmen bedrohen mich … Was, glauben Sie, wird passieren, wenn sich herumspricht, dass Sie Stimmen hören, Doktor?«
    Der Arzt stützte sich schwer auf den Tisch. Er hatte nicht einmal etwas gesagt. Der Kerl wusste, was er dachte! Das konnte es doch nicht geben!
    »Oh doch, das gibt es«, höhnte die Stimme.
    Salvatorius griff nach dem Glas. Der Whisky schmeckte bitter und breitete sich mit brennender Wärme in seinem Magen aus. Er trank das Glas in einem Zug leer. Kaum hatte er es auf den Tisch gestellt, füllte es sich erneut.
    »Mit zwei Gläsern sind wir auf der sicheren Seite, Doktor. Dann müssen Sie nur noch einen Moment Geduld haben. Ich denke, der Whisky wird schnell seine Wirkung tun. Wissen Sie übrigens, dass wir gewissermaßen den gleichen Beruf haben? Ich habe mich auch verschiedentlich als Zahnausreißer betätigt. Allerdings hatte ich nicht solch schöne Räumlichkeiten zur Verfügung. Später allerdings … Aber lassen wir das. Was langweile ich Sie mit meinem Leben.«
    »Ich bin kein … Zahnausreißer. « Salvatorius spürte seine Zunge schwerer werden. Er hatte Schwierigkeiten, die Wörter deutlich zu formulieren. »Sich von mir behandeln zu lassen, wenn ich betrunken bin … Ich glaube nicht, dass Sie sich damit einen Gefallen tun.«
    »Machen Sie sich darüber keine Gedanken, Doktor. Mein Freund ist hart im Nehmen. Sie sollten lieber … Aber Baldur, so etwas tut man doch nicht!«
    Salvatorius sah, wie sich neben dem Tisch eine gelblich schillernde Pfütze auf dem Boden bildete. Mariana kicherte hysterisch. »Ist das …«
    »Ich versichere Ihnen, es tut mir aufrichtig Leid«, beteuerte der Unsichtbare. »Das ist sonst nicht seine Art. Glauben Sie mir, er ist gut erzogen. Das ist mir jetzt wirklich peinlich …«
    Der Doktor sah verschwommen einen Mann mit einer gepuderten Perücke und einem Dreispitz neben sich stehen.
    »Gestatten, der Graf von Cagliostro, und dies hier ist Baldur, mein Leibdiener.«
    Salvatorius starrte auf den großen, struppigen Wolfshund hinter dem Grafen. Dem Tier hing ein Koffer an einer Kette aus dem Maul.
    »Wie Sie sehen«, erklärte Cagliostro, »braucht mein Freund dringend Ihre Hilfe.«
    Der Arzt sah zu dem Grafen, dann zu dem Hund und wieder zu dem Grafen. Salvatorius hatte das Gefühl, dass sein Verstand ihm entglitt. »Ich … äh … ich bin aber kein Tierarzt.«
    »Natürlich nicht.« Der Graf lächelte breit. »Baldur, würdest du bitte …«
    »Darf ich gehen?«, fiel ihm Mariana ins Wort. »Gibt es hier ein Klo? Ich möchte mir das wirklich nicht noch einmal ansehen. Das ist ja der reinste Horrortrip!«
    »Horrortrip …«, wiederholte Salvatorius schwerfällig lallend, während sich der Schlüssel im Schloss der Patiententoilette drehte. Er sah zum Grafen und seinem Wolf – und begriff. Die Kreatur wand sich zuckend auf dem Rücken. Das dichte Haar des Wolfs verschwand. Die Glieder streckten sich. Knochen und Gelenke knackten. Zuletzt kauerte ein blonder Mann, der ein wenig verwirrt aussah, auf dem Boden. Auch ihm hing ein Koffer an einer Kette aus dem Mund.
    Cagliostro hatte nachgeschenkt und reichte Salvatorius das bis zum Rand gefüllte Glas. »Unser Problem ist die Kette. Es scheint sich um ein äußerst widerstandskräftiges Metall zu handeln. Vermutlich irgendeine besondere Zwergenlegierung. Aber das soll nicht Ihre Sorge sein, Doktor. Entfernen Sie bitte die Kette.«
    »Was ist das …?« Salvatorius konnte den Blick nicht von dem blonden, jungen Mann wenden, der sich nun schwankend erhob. »Das ist … Ist er etwa ein …?«
    »Das sind doch nur Nebensächlichkeiten, lieber Doktor. Wo ist Ihr Behandlungszimmer?«
    Salvatorius ließ das volle Glas stehen und geleitete die beiden in eines der angrenzenden Zimmer. Wie zufällig strich seine Hand über den Rücken des Nackten und zuckte sofort wieder zurück. Es gab ihn tatsächlich! In einem entlegenen Winkel seines Hirns, den nicht einmal Alkohol zu beeinträchtigen vermochte, begann es zu arbeiten. Er hatte Geld wie Heu und wahrscheinlich die modernste Praxis im Umkreis von hundert Kilometern. Nur eins war ihm bisher versagt geblieben: wissenschaftlicher Ruhm! Das lag natürlich daran, dass seine kleingeistigen Kollegen sich sperrten und es ihm verwehrten, über seine Entdeckungen zu publizieren. Aber das hier, das war so sensationell, das könnte keiner mehr unterdrücken. Wenn sich die

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