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Nebenan: Roman

Nebenan: Roman

Titel: Nebenan: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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seine Pechsträhne. Da traf er eine Frau, atemberaubender, als er sie sich je in seinen kühnsten Träumen ausgemalt hatte, und diese Traumfrau wollte offenbar auch noch Nachhilfestunden im Küssen bei ihm nehmen. Und zugleich wurde er mit Wermut abgefüllt und wusste, dass er sich jeden Augenblick auf die Füße kotzen würde. Nach so einem Auftritt käme sie gewiss nicht noch einmal auf die Idee, ihn nach der hohen Kunst des Küssens zu fragen.
    Neriella stand auf und wollte gerade die Kammer verlassen, als Till den Kampf gegen den Wermut endgültig verlor.
    Wallerich ließ die Rose fallen, die er gerade erst bei dem Blumenladen an der Zülpicher Straße ausgeliehen hatte. Es war aus! Was fand Neriella nur an diesem Typen? Was hatte der Kerl, was er ihr nicht genauso gut hätte bieten können?
    Sie hatte den Studenten eingeladen in ihren Baum! Das war ein schwerer Verstoß gegen die Gesetze des Rates! Die wenigen Geschöpfe von Nebenan , denen es erlaubt war, hier zu leben, durften keinen Umgang mit Sterblichen pflegen und schon gar kein intimes Rendezvous mit ihnen haben. Einen Moment lang dachte der Heinzelmann daran, Neriella dem Rat zu melden. Aber wenn sie bestraft würde, würde sie für immer von hier verbannt. Vielleicht war dieser Student ja nur eine Affäre? Eine Laune, die schon in wenigen Tagen vorüber war …
    Wallerich blickte zu der Rose, die vor seinen Füßen im Schlamm lag. Eben noch hatte er sorgfältig alle Dornen vom Stängel entfernt. Es ziemte sich schließlich nicht, Geschenke zu machen, an denen man sich verletzen konnte. Und jetzt … jetzt fühlte er sich, als habe man ihm den Bart abrasiert. Einen tieferen Schmerz hatte er nicht empfunden, seit er und seine Hockeymannschaft von ein paar hinterwäldlerischen Kobolden 17 zu 212 geschlagen worden waren.
    Warum hatte Nöhrgel ihn nicht gewarnt? In seinem Wahrscheinlichkeitskalkulator musste er doch gesehen haben, was geschehen würde? Wütend ballte Wallerich die Fäuste. Wäre er in den letzten Tagen nicht dauernd unterwegs gewesen, es wäre niemals so weit gekommen! Der Alte hatte ihn geopfert! Er musste es gewusst haben. Oder hatte er es nur deshalb nicht gesagt, weil der Student nicht mehr als eine Episode für Neriella sein würde?
    Der Regen wurde stärker. Wasser tropfte vom Rand von Wallerichs Mütze genau in seinen Kragen. Er hatte sein bestes Hawaiihemd angezogen, um ein wenig Farbe in diesen grauen Novembertag zu bringen. »Warum, Neriella? Warum?«, flüsterte er verzweifelt. Sie wusste doch, dass er immer alles für sie tun würde! Er war es gewesen, der die schriftliche Anweisung, ihre Äste zu stutzen, im Unigartenbauamt hatte verschwinden lassen. Immer hatte er sie und ihren Baum beschützt! Und jetzt holte sie seinen Nebenbuhler in ihr Nest! Aber der Mistkerl würde keine ruhige Minute mehr haben. Er sollte lernen, was es hieß, den Zorn eines Heinzelmanns auf sich zu ziehen. Und Neriella hatte sich auch eine Abreibung verdient. Nichts Ernstes … Er hatte da schon eine Idee!
    Wallerich sah zu der Rose am Boden. Sie hatte eine vollkommen gewachsene rote Blüte. So vollkommen wie Neriella war sie. Wallerich setzte den Fuß auf die Blüte und trat sie in den Schmutz. »Du hast unserer Liebe die Unschuld genommen«, flüsterte er verbittert.
    Erschrocken zog der Heinzelmann den Fuß zurück. Die Blüte war zerdrückt und voller Schlamm. Was hatte er getan? Er kniete nieder und versuchte den Schmutz von den Blättern zu wischen. »Neriella, mein Mädchen … Ich will doch nur unser Glück. Nur mit dir allein.« Tränen liefen ihm über die Wangen. Er brach die Rosenblüte vom Stängel und schob sie sich unter die Jacke. Dann starrte er wieder zu ihrem Baum. Er würde eine neue Rose stehlen. Sie sollte nicht auf seine Rosen verzichten müssen. Die Affäre mit dem Menschen war gewiss ein Irrtum. Sie war doch nur eine Dryade. Wie sollte sie schon wissen, was es hieß, sich mit den Menschen einzulassen. Der Kerl würde ihr wehtun. Liebesgeschichten zwischen den Geschöpfen von Nebenan und Sterblichen gingen niemals glücklich aus.
    »Wallerich! Endlich! Ich hatte die Hoffnung schon aufgegeben, dich noch zu finden.« Birgel kam schnaufend den Weg hinuntergelaufen.
    »Lass mich allein! Kann ich denn nicht einmal in Ruhe unglücklich sein?«
    Der junge Heinzelmann hielt inne und sah ihn verblüfft an. »Du weißt es also schon?«
    »Was?«
    »Na, die Sache mit Nöhrgel?« Wallerich stand auf und versuchte sich den Schlamm von der Hose

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