Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nebenan: Roman

Nebenan: Roman

Titel: Nebenan: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
Vom Netzwerk:
Student tastete nach dem Lichtschalter neben der Tür und eine Reihe der Neonröhren flammte an der Decke auf.
    »Brr, ich hasse dieses Licht«, brummelte Neriella. »Wenn du jetzt vielleicht auf die Überraschung …«
    »Geduld.« Er holte eine große, hellbraune Decke aus der Jutetasche, in der auch Cola, ein paar Joints, Süßigkeiten, Sonnenöl und einige Einmachgläser mit Extras verstaut waren. »Nimm dir die Decke und such dir einen Platz, wo man sich bequem hinlegen kann und die große Leinwand hinter dem Rednerpult gut im Blick hat.«
    »Auf diesem blöden Boden kann man nirgendwo bequem liegen«, quengelte die Dryade. Die Decke wurde Till aus den Händen gezogen und schwebte wie von Geisterhand bewegt in Richtung der ersten Sitzreihe.
    Der Student erklomm die Stufen, die steil zwischen den engen Sitzreihen hinauf zur Mediaplattform führten. Hier standen zwei große Diaprojektoren, ein altes, graues Filmvorführgerät mit einer verwitterten Plakette der Firma Bauer und eine erstaunlich moderne Stereoanlage. Er legte eine CD mit Meditationsmusik ein. Klassik kombiniert mit Meeresrauschen, Vogelrufen und sanftem Regengeplätscher. Eigentlich sehr kitschig, aber bei manchen Gelegenheiten doch unschlagbar gut. Till schob die erste Schiene mit Dias in den linken Projektor und dimmte das Licht im Vorlesungssaal herunter, bis nur noch das schwache Leuchten der Tastatur auf dem Steuerpult im Dunkel glühte. Er stellte das Diagerät auf langsamen, automatischen Vorlauf. Leise klickend verschwand das erste Bild. Ein blendender Lichtstrahl durchschnitt das Dunkel, und auf der Leinwand am anderen Ende des Saals erstrahlte ein Traumstrand mit türkisblauem Meer und Palmen, die am Ende der Bucht in einen Mangrovenwald übergingen. Aus den Lautsprechern wisperte leise Klaviermusik, gemischt mit Wellenrauschen und exotischem Vogelzwitschern.
    Till tastete sich vorsichtig die Treppe hinab und hinüber zu der Decke, die wie ein Strandtuch ausgebreitet auf dem Boden lag.
    »Was ist das?«, flüsterte Neriella. Ihre Stimme klang ein wenig ängstlich. »So viel Wasser … und so seltsame Bäume.«
    »Es ist ein Traum. Das Meer, die Karibik. Ein Strand in Yukatan.« Der Student tastete nach Neriella und griff ins Leere. Enttäuscht zog er die Jutetasche mit den Extras zu sich hinüber.
    »Der Himmel ist dort so weit. Keine Häuser … Leben die Menschen dort am Strand?«
    Till musste lachen. »In gewisser Weise. Manche Leute hocken stundenlang in einem viel zu engen Flugzeug, um dort für ein paar Tage am Strand sitzen zu dürfen diejenigen aber, die dort wirklich leben, sind den ganzen Tag damit beschäftigt, ihren Gästen den Hintern nachzutragen. Die schönsten Strände hat man für die Einheimischen gesperrt. Sie sind der Besitz von großen Hotels und dürfen nur von zahlenden Gästen besucht werden.« Endlich hatte er den Tabakbeutel mit den Joints und den Streichhölzern gefunden. Am Leinwandhimmel über ihnen schwebte eine Palmengruppe, die auf einem blassen Kalksteinriff über das Meer aufragte. Till hatte sich einen Joint angesteckt und nahm einen tiefen Zug. »Hast du schon einmal geraucht?«, fragte er in die Dunkelheit.
    »Nein.«
    »Du solltest es versuchen. Es wird dich näher zum Meer bringen.«
    »Ich kann doch auch aufstehen und zu dem Bild gehen.«
    Till lächelte. Er fühlte sich angenehm müde und zugleich leicht. »Auf andere Weise näher. Es wird fast so sein, als wären wir dort.« Er streckte die Hand mit dem glimmenden Joint ins Dunkel. Etwas streifte seine Finger. Die Glut leuchtete auf.
    Neriella hustete. »Mist … Gibt es einen Trick? Das ist ja, als würde man eine fette Fliege verschlucken.«
    »Da hilft nur üben. Versuch es noch einmal!« Er konnte die Dryade jetzt als vagen Schemen sehen. Unsicher führte sie den Joint an die Lippen, nahm einen Zug und begann sofort wieder zu husten. Tränen rannen ihr in silbernen Linien über die Wangen.
    »Ich fürchte, das ist nichts für mich«, keuchte sie. »Was ist das überhaupt?« Sie hatte ein paar Tabakkrümel von der Decke aufgepickt und zerrieb sie zwischen den Fingern. »Fühlt sich an wie trockene Blätter.«
    »Es hilft mir, dich zu sehen.« Till strich ihr sanft durch das dunkelgrüne Haar. »Es ist besser für mich als Schnaps … und ich finde es auch poetischer, wenn mir der Rauch von trockenen Blättern den Weg in deine Welt weist.«
    »Ich kenne da auch ein paar Pilze, die man verwenden könnte …«
    »Keine Pilze!« Till hob abwehrend

Weitere Kostenlose Bücher