Nebenan: Roman
gelassen, um zu tun, was getan werden musste! Zu solch einer heroischen Tat wäre Spock wohl niemals in der Lage gewesen. Oder doch? Er hatte nur zwei Filme mit dem Vulkanier gesehen.
Amüsanter waren Filme wie Dirty Harry, Das dreckige Dutzend, Robin Hood – König der Diebe und Der Unsichtbare . Sie hatten ihn nicht nur inspiriert, sondern ihm auch tiefe Einblicke in das Wesen der menschlichen Gesellschaft gegeben. Der Elbenfürst schmunzelte bei der Erinnerung an den armen Wissenschaftler, der unsichtbar geworden war. Wie gut, dass er nicht so unvollkommen wie die Menschen war. Bei ihm wurde auch das unsichtbar, was er in die Hand nahm oder am Leib trug. Und sollte es doch einmal Schwierigkeiten geben, konnte er immer noch zaubern. Seine magischen Fähigkeiten wollte er allerdings nur im Notfall benutzen. Es war einfach langweilig, sich mit den Menschen anzulegen, wenn man zu viele Asse im Ärmel hatte.
Früh am Montagmorgen hatte sich der Erlkönig nach Düsseldorf durchgeschlagen. Diesmal benutzte er statt des Autos öffentliche Verkehrsmittel. Dabei hatte er mehrfach die Orientierung verloren. Eine völlig neue Erfahrung für ihn: labyrinthische Bahnhöfe, unübersichtliche Haltestellen. Die Welt war fremd geworden. In früheren Zeiten wäre er einfach dem Fluss gefolgt, um von Köln nach Düsseldorf zu gelangen. Diesmal hatte er in der Landeshauptstadt Schwierigkeiten gehabt, den Rhein überhaupt wieder zu finden. Nein, nächstes Mal würde er wieder den Wagen nehmen! Und davon, als Unsichtbarer irgendwelche Schnellstraßen zu überqueren, war er auch kuriert!
Selbst im Regierungsviertel hatte er sich noch einmal verlaufen. Als er endlich den großen Glasbau erreicht hatte, in dem auch der Energieminister seine Büros haben musste, war es fast schon Mittag. Der Erlkönig schulterte seinen Langbogen und folgte einem Regierungsbeamten mit grauem Anzug, der durch die Drehtür vor ihm trat. Im selben Augenblick traf ihn etwas im Rücken. Eine junge Frau in einem dunkelblauen Kostüm hatte sich mit ihm zusammen in das gläserne Drehkreuz gedrängt und versuchte verdutzt zu begreifen, auf wen oder was sie aufgelaufen war. Es hatte auch Nachteile, unsichtbar zu sein! Die sich unerbittlich drehende Tür ließ sie noch ein weiteres Mal zusammenstoßen, bevor es dem Erlkönig gelang, aus dieser tückischen Falle hinauszutaumeln. Die Frau, die immer noch versuchte zu entdecken, gegen was sie gestoßen war, wurde für eine weitere Runde von der Drehtür mitgenommen. Amüsiert sah der Elbenfürst sich um. Die Empfangshalle des großen Gebäudes war nüchtern. Ein paar Pflanzen, die man zur Dekoration aufgestellt hatte, wirkten zwischen all dem Stein, Glas und Metall der Halle deplatziert. Der Erlkönig war zuerst in dem großen Gebäude mit dem mächtigen Adler auf dem Dach gewesen. Ein alter Sandsteinbau, nur einen Steinwurf vom Rhein entfernt. Es hatte fast eine halbe Stunde gedauert, bis er begriff, dass er dort falsch war und der Regierungspräsident und seine umfangreiche Verwaltung nichts mit dem Energieminister zu tun hatten. Daraufhin war er den Fluss hinaufmarschiert bis zu dem Bau, der sich wie ein riesiges Glastor unweit des Ufers erhob.
Er mochte Düsseldorf nicht, dachte der Elbenfürst, während er sich in der großen Empfangshalle umsah. Es war eine Frechheit, eine solche Masse von Stein noch Dorf zu nennen. Vielleicht lag sein Unbehagen gegenüber der Stadt auch in der Unmenge von Verwaltungsbauten begründet, die hier wie Pilze aus dem Boden schossen. Inzwischen hatte er eine der großen Tafeln gefunden, auf denen auf umständliche Weise beschrieben war, wen man wo finden konnte. Sein Blick blieb auf einem Namen in Großbuchstaben haften.
DR. ANTON MAGER 10.01
MINISTER FÜR ENERGIEWIRTSCHAFT IN NRW
(Anmeldung bei Frau Kleber 10.02)
Der Erlkönig ging zu den chromblitzenden Aufzügen auf der anderen Seite der Halle hinüber. Einige Anzugträger hatten sich dort um eine hübsche junge Frau in dunkelblauem Kostüm geschart. Es war die Frau aus der Drehtür! Man konnte regelrecht spüren, wie sie um eine kluge Bemerkung rangen, um ihre Aufmerksamkeit zu erhaschen.
Der Fürst stellte sich hinter eine Gestalt mit Aktenkoffer und musterte interessiert den sehr kurzen Rock der Frau. »Was für ein knackiger Arsch!«
Die Angesprochene fuhr herum und verpasste dem Aktenkofferträger noch aus der Drehung heraus eine schallende Ohrfeige. »Was fällt Ihnen ein …?«
»Aber ich …«, stammelte ihr
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