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Nebenan: Roman

Nebenan: Roman

Titel: Nebenan: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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Sie sich die falsche Jahreszeit ausgesucht!« Das Neonlicht flammte auf und ließ das Bild auf der Leinwand verblassen.
    Doktor Schütte zuckte linkisch mit den Schultern. »Ich weiß, wie sich das anhört. So wie Sie hat bisher noch jeder reagiert. Das ist der Grund, warum man mich persönlich geschickt hat. Ich habe auch ein Video von dem Baum dabei und einen Brief mit einem Untersuchungsbericht aus dem hessischen Energieministerium. Kollegen von mir bereisen alle angrenzenden Bundesländer, um die übrigen Minister ins Bild zu setzen. Das Bundeskriminalamt und der Bundesnachrichtendienst wurden ebenfalls eingeschaltet. Seien Sie versichert, dies hier ist kein Spaß.«
    »Und das Plutonium?«, fragte Müller. »Was ist mit den Brennstäben aus dem Reaktor?«
    Wieder zuckte der Doktor mit den Schultern. »Verschwunden. Einfach in Luft aufgelöst. Die Brennkammer ist nicht einmal mehr radioaktiv kontaminiert.« Seine Stimme wurde zu einem heiseren Raunen. »Ich meine, es gibt da nichts mehr. Jedes Fleckchen Erde hat ein bisschen natürliche Strahlung. Da gibt es gar nichts mehr …«
    Minister Mager wirkte wesentlich gefasster. »Im Klartext, dort sind etliche Kilo waffenfähiges Uran verschwunden, wenn ich Sie richtig verstehe, Doktor. Was sagt das BKA dazu?«
    »Nicht etliche Kilo. Es sind mehr als drei Zentner … Sie erinnern sich, welchen Wirbel es in den Medien gegeben hat, weil aus einem russischen Kernkraftwerk ein paar Kilo verschwunden waren. Im Vergleich zu uns stehen die wie die reinsten Waisenknaben da. Nur die wenigsten Menschen können sich vorstellen, was man mit drei Zentnern Uran anstellen kann. Man braucht nicht einmal eine Bombe, um damit einen ganzen Landstrich zu verstrahlen. Es würde reichen, das Zeug zu Pulver zu zermahlen und von einem Flugzeug aus zu verstreuen.«
    »Kann man nicht über Satellit feststellen, wo das Uran geblieben ist?«, fragte Müller.
    »Das hat der BND schon übernommen, aber außer den üblichen Strahlungslecks in den französischen AKWs in der Bretagne und bei unserem Problemreaktor Kümmel im Norddeutschen waren keine auffälligen Strahlungsemissionen auf den Luftbildern festzustellen. Die ganze Sache ist ein Rätsel.« Der Doktor schüttelte resignierend den Kopf. »Naturwissenschaftlich gesehen ist das, was in unserer Brennkammer geschah, schlechterdings unmöglich.« Seine Stimme wurde noch leiser. »Ich meine … Brennstäbe verwandeln sich einfach nicht in Eichen! So etwas gehört sich nicht!«
    »Nun fangen Sie nicht an zu flennen, Mann!« Mager massierte sein Kinn und hatte die Stirn in Falten gelegt. »Wenn ich Sie richtig verstanden habe, gibt es keinen Hinweis darauf, dass die Brennstäbe nach NRW gekommen sind.«
    Schütte nickte.
    »Damit wäre die Sache dann auch nicht mein Problem. Richten Sie Ihrem Chef mein aufrichtiges Beileid aus. Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf: Lassen Sie die Eichen aus den beiden Brennkammern verschwinden, besorgen Sie neue Brennstäbe und nehmen Sie dann den Betrieb wieder auf. Und was die Medien angeht: Erfinden Sie einfach eine hübsche Geschichte! Ich meine, Ihr Vorfall hat immerhin den Vorteil, dass auch der eingefleischteste Atomkraftgegner in seinen kühnsten Alpträumen nicht darauf kommen wird, was passiert ist. Verkünden Sie was von einer Notabschaltung aus Sicherheitsgründen und laden Sie ein paar unabhängige Gutachter ein, um die Strahlung rund um das Kraftwerk zu messen. Die stürzen sich ja ohnehin wie die Geier auf jeden Zwischenfall. Wenn Ihre Geigerzähler überhaupt nichts anzeigen, werden die ganz schön aus dem Konzept sein.« Mager grinste breit. »Auf diese Art mit einer Krise umzugehen nennt man positives Produktmanagement.«
    Gegen dieses Arschloch war der Sheriff von Nottingham ein unschuldiger Chorknabe, dachte der Erlkönig. Er war sich jetzt ganz sicher, mit Mager das richtige Zielobjekt ausgesucht zu haben. Während der Energieminister in seinem schadenfrohen Monolog fortfuhr, kritzelte der Elbenfürst einige Zeilen auf einen Notizzettel und wickelte diesen um einen Pfeil. Als er den Langbogen hob und die Sehne bis hinter das rechte Ohr zurückzog, stand Mager bereits in der Tür. Es war höchste Zeit!
    Mit leisem Surren durchschnitt der Pfeil die Luft und bohrte sich keine fünf Zentimeter vor der Nase des Ministers ins polierte Holz der Tür. Nadine reagierte augenblicklich. Sie zerrte Mager zu Boden und warf sich über ihn. Gleichzeitig blaffte sie den Kerl an der Tür an. »Das Licht,

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